Balassi Institut, 13 Gawad Hosni Straße, Downtown Kairo an einem warmen Sonntagabend Anfang April. D-CAF Festival. Beginn der Veranstaltung ist 19 Uhr. In Kairo ist nie jemand pünktlich, aber schon jetzt ist der Saal zur Hälfte gefüllt, eine halbe Stunde später müssen extra Stühle in den Raum gebracht werden, der auch gut als Tanzstudio dienen können, mit seiner Fläche, den Holzdielen und großen, weißen Wänden.
Pedro Gadanho sieht sympathisch aus. Er trägt eine dunkel umrandete Brille, ein braunes Poloshirt und hat sanfte, zugängliche Gesichtszüge. Nichts an ihm wirkt abgehoben oder überheblich. Er spricht klar und leidenschaftlich über sein Thema: „Conceptions of Space: Curating Art, Architecture and City.“ Drei Jahre lang war der portugiesische Architekt Kurator am Museum of Modern Art (MOMA) in New York. Nun wird er das Museum of Art, Architecture and Technology (MAAT) in Lissabon leiten, das im Oktober offiziell seine Türen öffnet. Die erste Ausstellung widmet sich dem Thema „Utopia and Dystopia“. Die Ausstellung will die Idee der Utopie und der Dystopie durch die Augen von Künstlern und Architekten diskutieren, wie Gadanho erklärt.
Man nimmt ihm sofort ab, dass er davon überzeugt ist, dass Künstler und Architekten mit ihren Ideen und Projekten die Welt verändern können. Zumindest Impulse setzen können, die zu Veränderung führen. „Als ein Architekt verändert man immer urbane Orte mit seiner Arbeit“, sagt Gadanho. Deshalb könnten Architekten auch eine politische Rolle spielen. „Architekten können eine Gemeinschaft mit ihrer Arbeit ermächtigen.“ Er spricht an diesem Abend in Kairo zum Beispiel über die Verwendung und Inszenierung von Raum. Er zeigt das Bild eines Baus in einem Armenviertel in Bogota. Dort hat ein Architekt ein futuristisch anmutendes Riesen-Zeltdach mit langen Säulen auf einen Platz gebaut. Wo vorher die Sonne auf einen Grünstreifen knallte, können sich die Bewohner nun im Schatten ausruhen, sitzen, sprechen, miteinander in Kontakt treten. „Es ist ein künstlichere Tätigkeit aber Du reagierst auch auf Probleme, die Du nicht an der Seite liegen lassen kannst.“ Architektur kann Veränderung hervorrufen. Auf einem anderen Foto zeigt Pedro Gadanho einen großen Platz in Brasilien. Jahrelang sei er geplant und umgebaut worden und am Ende, als der Platz endlich fertiggestellt war, habe jegliche Beziehung zu den Menschen, die diesen Platz bevölkern, die um ihn herum wohnen, gefehlt. Es war einfach eine leere, weite Fläche entstanden. Doch die Menschen wollten sich ihren Platz nicht nehmen lassen und eroberten ihn sich wieder, durch Aktionen und eigene Initiativen. Architektur und Kunst greifen aber auch oft da, wo die Politik versagt. Da war zum Beispiel die Künstlerin, die mit Kreide einen Zebrastreifen an die Stelle einer Straße malte, an der kurz zuvor ein Kind überfahren wurde. Mit einem Zebrastreifen wäre dieses Unglück möglicherweise nicht geschehen. „Natürlich ist die Kreide nach kurzer Zeit wieder verschwunden, aber es ist ein Zeichen, das gesetzt wird“, sagt Gadanho. Ein anderer Künstler malte Zebrastreifen mit Farbe aus, die kaum noch zu erkennen waren aber von den zuständigen Behörden nicht repariert wurden. Er nahm das also einfach in die eigenen Hand und leistete somit nicht nur einen Beitrag für die Sicherheit der Gesellschaft sondern lieferte auch gleich eine Gesellschaftskritik ab. So sinnvoll und treffend kann Kunst sein.
Auch die Arbeit des Kurators habe sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert, sagt Pedro Gadanho. „Kuratieren ist eine neue Art der Kritik.“ Museen würden sich verändern und heute eben auch soziale Verhältnisse debattieren. Eine Ausstellung könne ein größeres Publikum in eine Diskussion einführen und Informationen weitergegeben, anstatt nur schön zu sein. „Ich wollte immer Menschen erreichen und kritisches Denken anstoßen“, sagt Gadanho. Als Direktor des MAAT wird er dazu sicherlich reichlich Gelegenheit haben.