Ein Kokon aus bunten Stoffen

Es gibt so Momente in Kairo, da hat man das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Neulich widerfuhr mir wieder so ein magischer Moment und das auch noch völlig unvorbereitet. Ich war auf dem Weg zu einem Interview-Termin mit der ägyptischen Designerin Nevin Altmann. Ich kenne Nevin schon lange privat, war aber noch nie zuvor in ihrem Atelier. Es hatte sich nie ergeben und wie ich an diesem Tag erfuhr, lud sie auch nie Gäste in ihre Werkstatt ein. Besuch lenke sie nur von der Arbeit ab, erzählte sie mir. Alleine in ihrem kleinen Reich kommen ihr die besten Ideen, hier kann sie versinken zwischen den bunten Stoffen und sich inspirieren lassen von den teilweise jahrhundertealten Mustern, die sie zu hochwertigen Schals, Taschen, Kopfkissen und vielem mehr verarbeitet.

Ein Farbteppich aus Gelb, Rot, Orange, Grün und Braun - den Farben der Oasen in Ägypten
Ein Farbteppich aus Gelb, Rot, Orange, Grün und Braun – den Farben der Oasen in Ägypten

Die Werkstatt befindet sich im Zentrum Kairos an einer der Hauptachsen der Innenstadt in einem der imposanten Häuser, die unter Khedive Ismail am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Heute sieht man von der Straße aus meist wenig von der alten Pracht, weil die Fassaden mit hässlichen Werbeplakaten der Geschäfte gepflastert sind, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dort angesiedelt haben. Doch schon die großen Eingangstüren lassen erahnen, wie sehr sich die französischen Architekten damals von den Häusern ihrer Heimat inspirieren ließen. Khedive Ismail legte in diesen Straßen die Grundsteine der ägyptischen Belle Epoque. Hier also, in einem dieser Häuser, im Gewusel der lauten, verstopften Innenstadt konnte Nevin Altmann in Ruhe arbeiten, kamen ihr, dieser ruhigen, tiefen-entspannten Frau die besten Ideen? Ich war skeptisch.

Jedes Stück bei Nevin Altmann wird in Handarbeit erstellt
Jedes Stück bei Nevin Altmann wird in Handarbeit erstellt

Aber als sich die Tür zu ihrem kleinen Reich öffnete, war ich sofort verzaubert. Diese alten Häuser sind so groß, dass es Wohnungen gibt, die sich komplett im Bauch des Gebäudes befinden. Hier kommt zwar nie das Sonnenlicht hin, dafür bleibt aber auch der Lärm draußen. Die Mauern schlucken das chaotische Leben auf den Straßen, während Nevin an ihrem Schreibtisch sitzt, zeichnet, näht und mit Farben experimentiert. Schon ihr Vater hat in dieser Wohnung gearbeitet, hatte hier jahrzehntelang sein Büro. Später übernahm Nevin die Wohnung und machte es zu ihrer Werkstatt. Wenn damals, vor etwa 20 Jahren, ihre kleine Tochter von der Schule kam, konnte sie sich hier auf einer extra für sie gebauten Empore ausruhen, Hausaufgaben machen und spielen.

In den Boxen lagern Stoffe und andere Utensilien
In den Boxen lagern Stoffe und andere Utensilien

Die Wohnung ist mit all den Stoffen, die sich in den Ecken stapeln, wie ein bunter Kokon, der seine Bewohner vor der lauten Stadt beschützt. Ein kleiner, magischer Ort im Chaos der großen Stadt. Ich wollte eigentlich gar nicht mehr gehen, so aufgehoben habe ich mich dort gefühlt. Aber dann würde Nevin nicht mehr arbeiten können und ihre wunderschönen Taschen und Schals kreieren, die ich so liebe. Ich bin also gegangen, durch den riesigen Hausflur und das imposante Treppenhaus zurück durch die große Eingangstür hinaus in das gleißende Sonnenlicht und die hektische, laute Stadt. Doch der Zauber des bunten Kokons ist mir geblieben, bis heute.

Produktschilder für Taschen und andere Nevin Altmann Kreationen
Produktschilder für Taschen und andere Nevin Altmann Kreationen

Hier geht es zu einem Artikel über Nevin Altmann in Cairoscene.com

http://cairoscene.com/ViewArticle.aspx?AId=54708-Nevin-Altmann-leather-embroidery-egyptian-brand

Produkte mit Suchtpotenzial

Es gibt Marken, die sind gefährlich. Zumindest für mich, weil ihre Produkte Suchtpotenzial haben und ich leider über überhaupt keine Selbstbeherrschung verfüge, wenn ich nur in ihre Nähe komme. Bei mir gehört auf jeden Fall Malaika Linens dazu, eine Luxusbettwäschen-Firma aus Ägypten, die viel zu viele schöne Dinge produziert. Bettwäsche aus feinster ägyptischer Baumwolle, handbestickt; die wärmsten, zartesten Wolldecken, ohne die kein Sofa dieser Welt sein sollte und ohne die ich keinen Winter mehr überstehen würde; Hausmäntel für Groß und Klein in ebendiesem zarten, fast Kaschmir-weichem Material; hinzu kommen bestickte Tischdecken und Servietten aus Leinen, Untersetzer, Schlafanzüge, Handtücher und vieles, vieles mehr. Es ist das Schlaraffenland für Liebhaber von Schönem in hoher Qualität und am liebsten würde ich meinen Haushalt ausschließlich mit Malaika-Produkten bestücken.

 

Makeup-Taschen von Malaika Linens - I love!
Makeup-Taschen von Malaika Linens – I love!

 

Das Allerbeste ist, dass ich bei Malaika mein Geld nicht nur in ein hochqualitatives Produkt investiere. Bei Malaika wird auch soziale Verantwortung groß geschrieben, denn die Handstickereien und Häkelarbeiten werden von Frauen in Ägypten ausgeführt, die von Malaika angelernt werden. Diese Frauen erlernen so ein Handwerk und verdienen sich damit ihr eigenes Geld, was sie unabhängig macht. Demnächst möchte ich eine Geschichte über die Marke und ihre Macher schreiben und werde dafür die Fabrik besuchen, in der die Frauen arbeiten. Ich bin gespannt und werde über meinen Besuch berichten.

 

So schön kann ein gedeckter Tisch aussehen, mit Tischuntersetzern und Leinen-Servietten von Malaika Linens
So schön kann ein gedeckter Tisch aussehen, mit Tischuntersetzern und Leinen-Servietten von Malaika Linens

 

Etwa zwei Mal im Jahr organisiert Malaika einen Sale, bei dem die gesamte Produktpalette vorgestellt wird. Ich warte immer sehnsüchtig darauf, vor allem vor Weihnachten. Es gibt einfach kaum bessere Geschenke aus Ägypten. Dieses Wochenende war es zum Glück wieder so weit. Im Garden City Club war die Lounge in ein Malaika-Paradies verwandelt worden. Passenderweise heißt Malaika übersetzt Engel. Ich habe Weihnachtsgeschenke gekauft, viele Weihnachtsgeschenke, und ein paar Kleinigkeiten für mich. Man sollte sich hin und wieder ja auch selbst eine Freude machen, nicht wahr. Ich habe meinen Bestand an Leinen-Servietten aufgebessert, denn ich finde es gibt nichts Schöneres, als einen Tisch mit Stoff-Servietten einzudecken. Es sieht viel stilvoller aus und ist obendrein nachhaltiger. Außerdem hat Malaika sehr hübsche Untersetzer in das Programm aufgenommen, die ich mir gegönnt habe. Zwei Dinge, in die ich mich verguckt habe, musste ich mir leider verkneifen, dafür hat das Budget nicht gereicht, aber so bleibt noch etwas zum träumen. Bei der großen Tischdecke aus Leinen, bestickt mit kleinen Blumen und durchzogen mit extrem feiner Häkelarbeit war es Liebe auf den ersten Blick. Ich wäre fast schwach geworden. Aber wer weiß…

 

Die schönste Tischdecke aller Zeiten, es war Liebe auf den ersten Blick bei mir
Die schönste Tischdecke aller Zeiten, es war Liebe auf den ersten Blick bei mir

 

Die neu ins Sortiment aufgenommene Wolldecke von 160×200 Metern ist wunderschön und kommt auch auf den Wunschzettel. Bis zum nächsten Sale. Sie ist zweifarbig und ist nicht nur kuschelig weich sondern sehr elegant, vor allem in Altrosa und Grau. Und dann gäbe es da ja auch noch die Handtücher und die großen Strandtücher…

Oh, ich gerate ins Schwärmen und höre lieber auf.

 

Die Lounge des Garden City Clubs in Kairo diente Malaika als Ausstellungsraum
Die Lounge des Garden City Clubs in Kairo diente Malaika als Ausstellungsraum

 

http://www.malaikalinens.com/

Frauen sind kein Frischfleisch

Am vergangenen Wochenende war ich im Libanon. Es war – wie immer – eine wohlverdiente Pause vom hektischen Treiben in Kairo. Hinzu kam, dass wir in Kairo in der vergangenen Woche 46 Grad im Schatten hatten und ein heißer Wind blies der einem die Luft zum atmen nahm. Ich bin mitten im Wald aufgewachsen, ich kann Sahara-Sommer schlecht aushalten. Umso schöner und entspannter war der grüne Libanon. Am Ankunftstag regnete es und auch die restlichen Tage war es kühl, wolkig und es blies eine angenehme Brise. Ich habe täglich Pullover und Jacke getragen, weil sich 26 Grad nur in der Theorie warm anhören. Wenn man zuvor 20 Grad mehr auf dem Thermometer zu bewältigen hatte, sind die gefühlten Temperaturen andere. Umso erstaunter war ich, wie leicht bekleidet die Libanesinnen waren. Nicht nur wegen meiner Gänsehaut, sondern weil ihre kurzen Kleidchen und durchsichtigen Tank-Tops in Kairo eine Massenhysterie auslösen und im schlimmsten Fall in einer Massenvergewaltigung enden würden. Dazu muss eine Frau in Ägypten nämlich noch nicht mal leicht bekleidet auf die Straße gehen. Das ist die traurige Wirklichkeit. Im Anhang dazu ein Artikel aus der NYT.

Link NYT: http://www.nytimes.com/2014/06/10/world/middleeast/video-of-mass-sexual-assault-taints-egypt-inauguration.html

Die Frauen im Libanon hingegen tun und lassen – zumindest modisch – was sie wollen und das ist eine befreiende Erfahrung. Ich wünschte ich könnte das gleiche über die Frauen in Ägypten sagen, doch hier beschränkt sich das Experimentieren mit Mode und den Grenzen des sozial akzeptierten Verhaltens meist auf bestimmte Stadtviertel und die Club- und Barszene. Das liegt natürlich zuallererst nicht an den Frauen, sondern an den patriarchalen Strukturen der Gesellschaft und dem strikten Moralkodex. Selbstbestimmtheit wird in der Regel bei Frauen nicht geschätzt und mit Argwohn betrachtet, denn es könnte ja die dominante Stellung des Mannes gefährden. Frauen mit sexueller Gewalt von den Straßen vertreiben zu wollen ist eine besonders grausame Form der Kontrolle und der Machtausübung über Frauen. Den Männern in Ägypten, die Frauen als Frischfleisch ansehen und ihr kein Recht auf Selbstbestimmung gewähren wollen muss Einhalt geboten werden. Sie müssen von Kindesbeinen an – zu Hause und in den Schulen – lernen, dass eine Frau die gleichen Rechte hat wie ein Mann und ebenso viel Wert ist. Sie hat das Recht Nein zu sagen, auf eine eigene Stimme, auf Unabhängigkeit und ja, freie Kleiderwahl, ohne dafür mit bösen Blicken, Belästigungen oder Vergewaltigungen bestraft zu werden. Einer Frau wegen ihrer Kleiderwahl die Schuld dafür zu geben, von einem Mann belästigt worden zu sein, ist pervers. Männer sind keine Tiere, die keinen Verstand besitzen und Frauen sind keine Beute, die erlegt werden will oder muss. Das gilt für Männer und Frauen überall auf der Welt, nicht nur in Ägypten. Und natürlich gibt es in Ägypten auch viele Männer, die das wissen und Frauen mit Respekt behandeln und als gleichwertig ansehen. Nur leider gibt es auch immer noch zu viele, die ein Problem mit starken, unabhängigen Frauen haben. Ich wünsche mir, dass alle Frauen – nicht nur die Privilegierten – frei sind zu tun und zu lassen, was sie wollen: Zu studieren was sie wollen, zu arbeiten was sie wollen, zu treffen wen sie wollen, anzuziehen was sie wollen und zu sagen was sie denken. Schlichtweg Freiheit und Gleichheit in allen Lebenslagen genießen zu dürfen. Überall auf der Welt.