Das ägyptische Staatsfernsehen hat nicht das beste Image. Es ist altbacken und die Konkurrenz der internationalen Satellitensender ist groß. Dort ist alles moderner, besser, aufwändiger und meist auch professioneller. Um die einstürzenden Einschaltquoten zu verbessern, hat die frisch ernannte Chefin des ägyptischen Staatsfernsehens, Safaa Hegazy, eine radikale Entscheidung getroffen. Die ehemalige Fernsehmoderatorin hat acht übergewichtige Moderatorinnen vom Dienst befreit und sie aufgefordert auf Diät zu gehen. Sollten sie nicht innerhalb von drei Monaten an Gewicht verlieren, werden sie fortan nur noch hinter den Kulissen arbeiten können. Die Entscheidung wurde in den ägyptischen und den sozialen Medien kontrovers diskutiert und schaffte es sogar bis in die New York Times. Für die betroffenen Moderatorinnen ist diese öffentliche Diskussion natürlich eine persönliche Kränkung, denn es geht nicht um ihr Können, sondern um ihr Körperfett. In Ägypten – und der arabischen Welt im Allgemeinen – ist das Verhältnis zum Körper ein gespaltenes. Auf der einen Seite essen die Ägypter wahnsinnig gerne und wahnsinnig fett. Zudem ist ein wohlgenährter Körper auch traditionell immer ein Zeichen von Wohlstand gewesen, ebenso wie weiße Haut. Beides deutete an, dass man es nicht nötig hatte, harte, körperliche Arbeit auf dem Feld zu verrichten. Daher auch das Kompliment an Frauen: „Dein Gesicht sieht aus wie der Mond“, nämlich rund und weiß. Es gibt in Ägypten extrem viele krankhaft übergewichtige Menschen, schon kleinste Kinder sind betroffen, die gerne mit Kalorienbomben wie Chips, Schokokeksen und Cola gemästet werden. Doch auch in der arabischen Welt gibt es den genauen Gegentrend. Schönheits-Operationen bei Frauen sind sehr beliebt und der Fitness-Wahn hat natürlich auch vor Ägypten nicht halt gemacht, wo sich die High Society im Fitness-Club trifft, private Trainer den perfekten Körper schaffen und alle Trend-Sportarten, von Zumba zu Yoga, ausgeübt werden können. Die junge, moderne Frau aus der ägyptischen Oberschicht trägt Röhrenjeans zu modischem Top und will darin einen Top-Model-Körper. Das männliche Pendant pumpt derweil seine Muskeln im Fitness-Studio auf und hat Six-Pack. Das diese Menschen keine Lust haben, sich im Fernsehen übergewichtige Frauen (und Männer!) anzuschauen, ist verständlich. Doch reduziertes Körperfett allein wird die sinkenden Einschaltquoten nicht aufhalten. Vielleicht sollte Safaa Hegazy auch mal ins Programm schauen und nicht nur aufs Körperfett.
Das Lieblingsgebäck der Pharaonen
Einen Monat lang haben Muslime auf der ganzen Welt während des Ramadans von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet. Das Ende des Ramadan wurde vor kurzem mit dem kleinen Fest, Eid al-Fitr genannt, begangen. Essentiell für diese Festtage ist natürlich – genau wie bei uns zu Weihnachten – das Essen. Die Familien kommen zusammen und feiern mit üppigen Mahlen das Ende ihres Fastenmonats. Ein Tisch, der sich nicht von der Last der aufgetischten Leckereien biegt, ist kein vollständig gedeckter Tisch. Etwas, was unbedingt zum Fest dazu gehört sind die Süßigkeiten und hier ganz besonders ein Keks namens Kahk. Dieser Keks, der vom Geschmack ein klein wenig an Vanillekipferl erinnert, soll schon von den Pharaonen gegessen worden sein. Sogar in ihren Gräbern haben die Pharaonen dieses Gebäck als Wandmalerei verewigen lassen. Die Kekse sind rund, was die Form der Sonne symbolisiert. Über die Jahrtausende hat sich an der Form nicht viel geändert, aber abhängig von Region und Familientradition hat jeder sein eigenes Geheimnis wie die Kahk am besten zubereitet werden. Manche reichen sie ungefüllt, andere bevorzugen eine Füllung mit Pistazien oder wahlweise mit Dattelmus. Eine Zutat darf nie fehlen: sehr viel Butter. In Ägypten, Libanon und Marokko wird meist Rosenwasser zum Teig gegeben, in Syrien hingegen lieber Orangenblütenwasser, was das ganze zu einer besonderen Spezialität werden lässt. Meine Mutter bekam mal vor vielen Jahren ein solches „geheimes“ Familienrezept von einer Cousine meines Vaters. Zurück zu Hause wollte sie es gleich ausprobieren. Obwohl sie alle Regeln befolgt hat, wurden aus den sonst im Mund zerfließenden Köstlichkeiten gefährlich harte Wurfgeschosse, mit denen man leicht ein Loch in die Wand hätte schlagen können. Ich erinnere mich noch gut an die Frustration meiner Mutter, die ewig Teig geknetet hatte. Wer das Backen lieber den Profis überlässt, sollte früh genug vor dem Fest bei der Konditorei seines Vertrauens vorbestellen, denn zum Fest selber kommt man an die Delikatesse dann kaum mehr heran. Schon Tage vorher stapeln sich bei „Koueidar Mandarin“, dem besten Bäcker Kairos, die Platten mit den in Puderzucker getauchten Keksen. In der Bäckerei ist kein Vorankommen, die Männer hinter dem Tresen wiegen Kilo um Kilo Süßwaren ab und am hinteren Ende des Ladens werden sie meisterlich zu festen Paketen geschnürt. Die Konditorei wird in diesen Tagen zum Fließbandbetrieb. Dem wohl-riechendstem der ganzen Stadt.
Vegan auf ägyptisch
Wenn ich längere Zeit nicht in Ägypten war, dann freue ich mich bei meiner Rückkehr auch immer ganz besonders auf das ägyptische Essen. Zu den Nationalgerichten gehört zu allererst Foul, braune Bohnen die meist in Fladenbrot und mit Öl serviert werden, aber auch in etlichen anderen Varianten zu haben sind, je nach Vorliebe mal mit Eiern, mal mit Zwiebeln und Petersilie gegessen werden. Felafel oder Tameya, wie die frittierten Bällchen aus grünen Bohnen in Ägypten auch heißen, werden ebenfalls meist in Fladenbrot serviert, am besten schmecken sie, wenn sie mit Tahina, der Sesamsauce und Salat gereicht werden. Foul und Felafel gibt es meist zum Frühstück, das der Ägypter erst am späten Morgen oder frühen Mittag zu sich nimmt. Überall in der Stadt gibt es fliegende Händler, die an der Straße stehen und aus ihrem fahrenden Stand heraus Foul oder Felafel servieren. Ein weiteres Lieblingsgericht sind frittierte Auberginen mit Tahina und Salat in Fladenbrot und ja, ich lüge nicht, Pommes in Fladenbrot. Das habe ich bis heute nicht verstanden. Aber die Ägypter kombinieren liebend gerne verschiedene Kohlehydrate miteinander. Zum Kartoffelauflauf gibt es selbstredend Reis und beides zusammen wird mit Brot in den Mund geschoben. Man muss es probieren, es schmeckt herrlich. Auf Diät sollte man auf jeden Fall nicht sein, wenn man seine Familie in Ägypten besucht. Das Nationalgericht schlechthin ist Molokheya, ein grünes Gemüse, das dem Spinat ähnelt, aber ganz anders schmeckt. Es wird sehr fein gehackt und zu einer Suppe verkocht, die zuletzt mit viel Knoblauch und Zwiebeln abgelöscht wird. Dazu wird Reis gereicht und wahlweise Hühnchen oder Kaninchen als fleischige Beilage. Überhaupt, das Fleisch. Eine Mahlzeit ohne Fleisch ist für den Ägypter keine Mahlzeit. Neulich traf ich einen Bekannten, der mir stolz erzählte, dass er sich seit ein paar Wochen vegan ernähre. Ich war mehr als überrascht. Veganismus ist in Ägypten nicht verbreitet, ich würde sogar behaupten, dass 90 Prozent der Bevölkerung das Wort noch nie gehört haben und das Konzept auch nicht verstehen würden. Der erwähnte Bekannte ist Schriftsteller und hat ein paar Monate im Ausland gelebt, trotzdem würde ich ihn nicht zu der Schicht Ägypter zählen, die sehr westlich orientiert ist, die neuesten Trends verfolgt und besonders gesundheitsbewusst lebt. Ich fragte ihn also, wie es läuft und wie er sich nun ernähren würde. „Es läuft wunderbar“, sagte er. „Ich verzichte auf alle tierischen Produkte, außer auf Rind und Hühnchen.“ So geht also Vegan auf ägyptisch. Aber mal ehrlich, wer will auch die Molokheya ohne Hühnchen essen?!
Zucchiniblüten aus Fayoum
Als ich vor kurzem von München nach Kairo flog, lag schon Schnee in den Alpen. Es wird kalt in Nordeuropa und es bricht die Zeit an, in der nicht mehr viel wächst. Jetzt kommt in Deutschland Wintergemüse auf den Teller, Weiß-, Grün- und Rotkohl, Wirsing, Steckrüben und Lauch. Was man sonst so in der Gemüseabteilung findet, stammt entweder aus dem Treibhaus oder von weit her. Aus Ägypten zum Beispiel. Hier wird es jetzt nämlich endlich auch kühler. Soll heißen es sind jetzt angenehme 20 bis 27 Grad am Tag, die Nächte angenehm kühl. Deutsches Sommerwetter also, und dementsprechend gibt es hier jetzt reichlich zu ernten. Im Sommer ist es hier viel zu heiß für Tomaten und Co. aber dafür wachsen sie jetzt umso prächtiger.
Am Wochenende fahre ich oft in die südlich von Kairo gelegene Oase Fayoum in ein kleines Dorf. Dort kann ich meinem romantischen Drang nach Landleben so richtig nachgeben. Ich baue natürlich nichts selber an, das macht ein Mensch der etwas davon versteht, ich bin schließlich Stadtkind. Aber ich darf alles sammeln und pflücken, was mir in die Finger kommt. Vor Kurzem noch wuchsen die Zucchini wie verrückt und ich habe am Wochenende viel Zeit damit verbracht mich an den stacheligen Pflanzen abzuarbeiten und die schönsten Zucchiniblüten für die abendliche Pasta zu sammeln. Die Tomatensträucher nebenan wachsen auch prächtig und ich freue mich schon darauf, im Januar die Tomaten zu ernten. Voll Bio und mit der eigenen Hand gepflückt schmecken sie besser als alles andere.
Es wächst in Ägypten also vieles um gute sechs Monate versetzt von der deutschen Erntezeit. Es ist etwas bizarr, und ich kann mich nach acht Jahren immer noch schwer daran gewöhnen, aber tatsächlich gibt es jetzt schon die ersten Erdbeeren in Ägypten. Ägyptisch-Französische Freunde von mir essen traditionell zum Weihnachtsessen frische Erdbeeren mit Vanilleeis zum Nachtisch. Ist ja Saison. Doch die deutsche Seele in mir ruft nach Backäpfeln mit Vanillesauce zu Weihnachten und flieht in kühlere Gefilde. Erdbeeren zu Weihnachten, das geht einfach nicht. Neulich war ich bei einer Freundin in Zürich zu Besuch, die in ihrer Küche eine Tabelle hängen hatte die anzeigt, welche Gemüse und Obstsorten in welchen Monaten Saison haben, um tatsächlich heimisches Gemüse und so nachhaltig einzukaufen. Das brachte mich auf die Idee, meine eigene Tabelle anzulegen. Ich mache es demnächst einfach wie die Zugvögel, die jetzt wieder über Ägypten hinweg fliegen. Die Wintermonate verbringe ich in Ägypten und genieße frische Tomaten, Zucchini, Erdbeeren, Bananen und Co. und im heißen Sommer, wenn hier alles brach liegt, mache ich mich auf in den Norden und gehe in dort Erdbeeren pflücken.
Sumaya und das Windsor Hotel
Was ich an Kairo besonders liebe ist, dass die Stadt mich auch nach so vielen Jahren noch überraschen kann. Immer gibt es etwas Neues zu entdecken. An Orten, die man vermeintlich kennt, verbergen sich wahre Kleinode, die es nur aufzuspüren gilt.
Gestern Abend bin ich mit Sherif Bakr, Besitzer des Al-Arabi Verlags, dem ägyptischen Journalisten und Autor Wagdy El Komy sowie dem deutschen Journalisten Ronald Düker, der gerade zu Besuch ist, durch Downtown Kairo gezogen. Unser erster Anlaufpunkt war Sumaya. Die Dame ist in bestimmten Kreisen bekannt wie ein bunter Hund und der Ruf ihrer ägyptischen Hausmannskost ist exzellent. Sumaya – mit strahlendem Lächeln und energischer Stimme – steht in ihrer klitzekleinen Küche ihres zwei Mal zwei Meter großen Bistros und serviert ab dem spätem Nachmittag solange der Vorrat reicht ihre köstlichen Speisen. Es gibt vier Tische und Platz für maximal 15 Leute, wenn sie dünn sind. Wir hatten Glück und bekamen einen Tisch. Zwei Minuten später und wir hätten in der kleinen Gasse vor der Tür warten müssen. Auch nicht schlimm. Ahmed gegenüber serviert Tee derweil. Auf dem Menü standen gestern ‚Kebab Hala’, Fleisch aus dem Topf mit Soße, überbackene Auberginen gefüllt mit Gehacktem und Nüssen, überbackene Zucchini sowie weißer Reis mit Erbsen und Ingwer. Was für eine großartige Idee, Ingwer an den Reis zu tun! Es gibt dem Ganzen die gewisse Leichtigkeit und Frische, die in allen anderen Gerichten natürlich fehlt. Béchamelsauce, mit der in Ägypten sehr gerne Gemüse überbacken wird, stand noch nie für leichte Küche. Muss sie auch nicht. Es war alles wunderbar so, wie es war. Wir haben uns auf das Essen gestürzt und hatten in Null-Komma-Nichts unsere Teller leer geputzt. Ist auch wichtig, sonst droht Sumaya mit schlimmen Strafen. Wahrscheinlich darf man dann nie wieder zu ihr kommen. Also, schon beim Bestellen sollte man sich gut überlegen, wie viel der Magen verträgt. Wir wurden gelobt und mit Sumayas strahlendem Lächeln belohnt. Dann mussten wir aber auch schnell gehen, weil draußen schon andere Gäste Schlange standen. Sumaya ist schließlich beliebt.
Nach dem guten aber reichhaltigem Essen stand uns der Sinn nach einem kühlem Bier, vor allem wo die Temperaturen derzeit die 35 Grad locker überschreiten und es dazu noch sehr, sehr schwül ist. Wir fuhren zum Windsor Hotel, das seit 1936 in der Nummer 19, Alfi Bey Straße in Downtown steht. In dem wunderbaren Buch von Andrew Humphreys „Grand Hotels of Egypt“ steht auf Seite 159 geschrieben, dass der älteste Aufzug der Stadt in diesem Hotel zu finden sei. Es ist ein antikes Stück von Schindler. Sobald man die Lobby des Hotels betritt sieht man ihn, so klein ist es hier. Hinter der Rezeption befinden sich bis heute eine alte Telefonzentrale, mit der alle ein- und ausgehenden Anrufe per Hand verbunden werden. Man fühlt sich sofort in eine andere Zeit versetzt. In ein Kairo, dass es so schon lange nicht mehr gibt. Als draußen vor dem Hotel die Stühle des Café La Parisiana standen und die bessere Gesellschaft hierher kam, um abends ein kühles Bier zu trinken. Im ersten Stock des Windsor befindet sich auch heute noch die Lounge. Im Treppenhaus hängen alte Reise-Poster, manche schon so vergilbt, dass man sie kaum noch entziffern kann. Andere wundervoll gerahmt, Art-Deco-Poster die das Hotel oder die Pyramiden anpreisen. Hier ist die Zeit stehengeblieben. Die Besitzer, die das Hotel 1962 von einem Schweizer kauften, haben versucht so wenig wie möglich zu verändern. Bis heute werden kaputte Dinge wenn möglich repariert, nicht ersetzt. So ist der Charme dieses Ortes erhalten geblieben. Das Bier ist kalt, die Zimmer sauber und klassisch eingerichtet. Vor der Tür tobt das Kairoer Leben, es rauscht vorbei, verändert die Stadt unentwegt, doch in diesem Hotel ist die Zeit stehen geblieben. Es beruhigt mich zu wissen, dass es diese Orte noch gibt, dass ich das alte Kairo, dass ich nur aus Büchern und alten Filmen kenne, hier für einen kurzen Moment zurückholen kann.
Für weitere Lektüre empfehle ich: Andrew Humphreys „Grand Hotels of Egypt – In The Golden Age Of Travel“; The American University in Cairo Press; www.aucpress.com
Es bietet wunderbare Illustrationen und Informationen zur Geschichte und Architektur der Hotels in Ägypten.