Das Paradies liegt im Süden

Die Reise tiefer in den Süden Ägyptens ist bezaubernd. Mit dem Auto geht es für uns von Luxor nach Assuan, damit wir an den Tempeln, die auf der Strecke liegen, anhalten können. In Edfu machen wir die erste Station. Der Tempel liegt mitten in der Stadt, aber ist man erst einmal durch die beeindruckende Pylonfront in den Tempelhof eingetreten, hat man die Stadt um einen herum sofort vergessen. Wir sind fast ganz alleine in der Tempelanlage. Noch nie bin ich so entspannt durch einen pharaonischen Tempel gelaufen, konnte mir für jeden Raum meine Zeit nehmen und die Inschriften bewundern, die hier besonders gut erhalten sind. Zurzeit sind so wenige Touristen in Ägypten unterwegs, dass es für diejenigen, die durch das Land reisen, besonders intensive Momente zu erleben gibt, einfach, weil man Tempel, Grabstätten und andere Touristenattraktionen ganz für sich alleine hat. Es hat etwas magisches, alleine in einem pharaonischen Tempel zu stehen. Natürlich fehlt dem Land der Tourismus. Für die vielen Menschen, die in Ägypten vom Tourismus abhängig sind, ist es besonders bitter. Überall sieht man verlassene und geschlossene Souvenir-Läden. In Kom Ombo das gleiche Bild. Eine wunderschöne Tempelanlage direkt am östlichen Nilufer – und wir die einzigen Touristen!

Der Nil ist im Süden besonders schön, je weiter man fährt, desto breiter und klarer wird er. Hier im Süden ist der Fluss noch nicht verdreckt sondern so klar, dass man aus ihm trinken könnte.

In Assuan nehmen wir uns eine Felluka und treiben einen Tag lang auf dem Nil entlang. Obwohl es zu dieser Jahreszeit schon sehr heiß wird in Assuan, lässt es sich hier auf dem Nil auch tagsüber gut aushalten. Wir sind mit Ahmed Siam unterwegs, einem Nubier. Er wuchs in Assuan in einem kleinen nubischen Dorf auf, das auf der West- und der Ostseite vom Nil flankiert wird. Schon mit 13 Jahren fuhr er Felluken, die traditionellen ägyptischen Segelschiffe. Bis Sonnenuntergang treiben wir auf der „Magic“, wie Ahmeds Segelschiff heißt, auf dem Nil entlang. Wir breiten uns auf den von Ahmed bereitgelegten Matratzen aus und genießen den Ausblick auf die Nilinseln, das viele Grün, die Sanddünen am Horizont und auf die nubischen Dörfer am Ufer. Es sieht aus und fühlt sich an wie das Paradies. Vor allem als Ahmed uns eine kleine Mahlzeit aus Salaten und frischem Brot präsentiert, nachdem wir etwas ermattet von einer kurzen Gräberexpedition zurückkommen. Ahmed lässt sich immer etwas einfallen, um seine Gäste glücklich zu machen. Wer nicht stundenlang nur faulenzen will, kann auch gerne auf dem Boot mithelfen – steuern, Segel einholen, Taue aufknoten, es gibt immer etwas zu tun. Wir haben einen windstillen Tag erwischt, deshalb darf ich das Segelschiff steuern während Ahmed die Ruder ins Nilwasser taucht. Wir rudern auf eine kleine Insel kurz über dem ersten Cataract zu. Hier ankern wir und springen ins glasklare Wasser. Der Nil ist hier noch so rein, dass man fast bis auf den Grund schauen kann. Ich sitze auf den großen Granitblöcken am Ufer der kleinen Insel, schaue dem Wasser zu, dass in sekundenschnelle hunderte kleiner Wirbel kreiert und möchte nie wieder hier weg. Die Ruhe, die Luft und die Schönheit der Landschaft haben mich in ihren Bann gezogen. Ich bin verliebt in Assuan.

Die Reise geht weiter

Nachdem ich mich beim Kitesurfen – oder besser gesagt beim üben auf dem Wasser total verausgabt hatte, musste ich mich in Windeseile duschen, umziehen und packen. Mein Fahrer wartete schon ungeduldig, der mich von El Gouna 350 Kilometer weiter südlich ins Landesinnere nach Luxor bringen sollte. Da Egypt Air keine Direktflüge mehr von Hurghada nach Luxor anbietet, war ein Auto die beste Lösung, auch wenn die Fahrt gute fünf Stunden dauert. Die erste Strecke ist recht öde, aber sobald wir den Nil in Qena erreichten, war ich verzaubert. Selten habe ich eine so saubere, grüne Stadt in Ägypten gesehen. So viele Bäume!

Kurz vor Sonnenuntergang waren wir in Luxor. Unser Hotel, das Marsam Shiek Ali, ist das älteste Hotel auf der Westbank, der Vater von Shiek Ali baute es Anfang des 20. Jahrhundert. Seit Jahrzehnten ist es ein Treffpunkt für Archäologen, Künstler und Ägyptenliebhaber. Es hat einen ganz eigenen Charme, ohne den üblichen 5-Sterne-Luxus, ausgestattet dafür aber mit umso mehr Atmosphäre und Gastfreundschaft.

Das Marsam steht eingebettet zwischen Ramesseum, dem Tempel von Medinat Habu und Merenptah, und von hier aus sind alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Westseite Luxors zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen, die man für 10 LE (umgerechnet 1 Euro) am Tag im Hotel leihen kann. Am Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang vom Hotel zum Ramesseum durch die Felder zu spazieren ist magisch. Aber eigentlich will man nirgendwo hin, sobald man im Marsam angekommen ist. Vom Garten des Hotels aus schaut man über die angrenzenden Felder und genießt den ganzen Tag lang die unfassbare Ruhe – und am frühen Morgen hat man von hier aus einen traumhaften Ausblick auf den Sonnenaufgang hinter den Palmenhainen, die sich über die Felder erstrecken. Ich gebe zu, ich habe ihn nicht erlebt, so früh war ich nie wach. Ich habe viel geschlafen – die Betten ähneln Futons, mit Gestellen aus Palmwedel und Matratzen aus Baumwolle – und hauptsächlich im Garten gesessen, genossen und sehr viel gegessen. Ich habe mich morgens, mittags und abends durch die ganze Vielfalt der ägyptischen Küche gegessen und war völlig begeistert vom Koch des Marsam. Besseres Okraschoten-Tagin (Bamja auf ägyptisch) habe ich noch nie gegessen! Alles ist frisch im Marsam, das Gemüse kommt aus dem hauseigenen Garten, dort wachsen Tomaten, Auberginen, Zucchini, Zwiebeln, Knoblauch und scharfe Paprika. Auch die Hühner werden selbst geschlachtet und kommen immer frisch auf den Tisch, darauf besteht Klaus Rao, seit zwei Jahren Manager des Marsam ist. „Ich will, dass es allen schmeckt und mit gutem Gewissen sagen können, dass alles frisch ist“, sagt er. Und es schmeckt. Köstlich. Ich esse und esse und will hier gar nicht mehr weg. Jetzt verstehe ich endlich all die Freunde, die schon seit Jahren ins Marsam kommen und aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus kommen. Der Abschied fällt mir schwer, ich habe hier so wunderbar abschalten können, aber der nächste Ort steht auf dem Programm und ich ziehe weiter, tiefer in den Süden, wo der Nil schöner ist als nirgendwo sonst in Ägypten.

http://www.marsamluxor.com/

 

Rodeo auf dem Roten Meer

Ägypten ist wunderschön. So richtig klar geworden ist mir das mal wieder in der vergangenen Woche. Kairo ist oft anstrengend und laut und wir kommen eigentlich alle viel zu selten raus. Aber wenn man sich mal die Mühe macht und die gewohnten Pfade verlässt, entdeckt man Erstaunliches. Mich führte das Glück auf eine Arbeitsreise durchs Land. Acht Tage, drei Orte. Mit dem Flugzeug ging es zuerst ans Rote Meer nach El Gouna. Wind- und Sonnengarantie 365 Tage im Jahr, der ideale Ort also, um Kitesurfen zu lernen. Dachte ich. Nur leider spielte der Windgott nicht ganz mit und bescherte mir maue acht Knoten am ersten Tag meines Kurses, den ich dann auf Wind wartend am Strand verbrachte. Am nächsten Tag gab es dann umso mehr Wind. 30 Knoten, da flog mir fast der Kite aus den Händen. Es war ein bisschen wie Rodeo nur mit Segel. Aber es hat mordsmäßig Spaß gemacht und ich habe Blut geleckt. Jetzt will ich es richtig lernen und beim nächsten Mal mit Segel und Board aufs Meer. El Gouna ist der ideale Ort dafür, ruhig, entspannt und nicht zu weit von Kairo entfernt. Mit dem Auto ist man in knapp fünf Stunden da, mit dem Flugzeug in gerade mal einer Stunde. Am witzigsten finde ich in El Gouna die Tuk-Tuks, die als Taxis durch die Lagunenstadt fahren und einen so schnell und kostengünstig von A nach B bringen. Zum Beispiel auch zum neuen „Cablepark El Gouna“, wo man auch bei keinem Wind aufs Surfbrett steigen kann. Statt mit Wind wird man dort an einem Kabel auf einem angelegten See über Hindernisse gezogen. Sieht einfach aus, ist es aber wahrscheinlich nicht. Ich will jetzt erst einmal das Gleichgewicht mit Brett und Segel auf dem Meer auf die Reihe bekommen, alles andere kommt später. Meine Sommerwochenenden sind also schon verplant!

Pon Appétit!

Die arabische Sprache ist großartig, vielfältig und reich an Vokabular. Trotzdem fehlt ihr ein – zumindest in anderen Sprachen gängiger – Buchstabe. Das P kennt das Arabisch nicht. So wird aus Pizza „Bizza“, aus Post „Bosta“ und aus Mr. Bob in schöner Regelmäßigkeit Mr. Pop. Daraus könnte man glatt eine Marke machen. Es stört die Ägypter auch kein bisschen, wenn an einem Schriftzug, der ein Geschäft oder gar eine Restaurant-Kette bewirbt, ein Bauch des geschwungenen B’s wegbricht. So steht seit Monaten auf einer Hausfassade in meinem Viertel in großen, geschwungenen Lettern „Pon Appetit“. Überhaupt, mit der Rechtschreibung halten sie es recht locker, die Ägypter. Gern geteilte Fotos unter Ausländern sind die, die man mal wieder von einer besonders kreativ gestalteten Menükarte in einem Restaurant gemacht hat. Teilweise sind die englischen Menükarten nämlich nur mit ganz viel Phantasie und gutem Willen zu entziffern. Aus Toast wird so zum Beispiel „Tosat“, was ich gerne – falsch im Arabischen in die Mehrzahl abgeleitet – mit „vielen Hintern“ übersetze. So wird aus einer falschen englischen Schreibweise und einer sehr eigenwilligen arabischen Mehrzahl-Bildung meinerseits ein lustiges, neues Wort. Auch schön war die Tasse, die eine Freundin kaufte, bevor sie von Kairo nach Paris zog. Auf der Tasse ist der Eiffelturm abgebildet, darüber steht in einem schönen Bogen „Eiffel Tower“ und darunter: „Dream in pairs“. Wenn ich schlechte Laune habe, guck ich mir das Bild an und bin gleich wieder lustig. Zu zweit zu träumen ist ja auch viel schöner, als einfach nur in Paris zu träumen. Womöglich noch alleine. Grauenvoll. Toll war auch die Rechnung, die ich für einen Strauß Tulpen handschriftlich ausgestellt bekam. „Toleeps“ stand da, statt „Tulip“. Auch die Straßenbeschilderung in Ägypten kann für viel Heiterkeit sorgen. Ist auch nötig, wenn man so oft und lange im Stau steht. Straßenbeschilderung in Ägypten ist fast immer zweisprachig, Arabisch und Englisch. Aber auch bei solch hoch-offiziellen Dingen kann mal etwas schief gehen. So wurde auf einem Schild, das eine Kehrtwende anzeigte, aus dem englischen „U-Turn“ ein „U.Tearn“. Auch im gesprochenen Englisch sind die Ägypter oft nicht zu überbieten an Witz und Kreativität. So erzählt ein Freund immer wieder gerne die Geschichte eines Vorstellungsgesprächs mit einer jungen Dame. Irgendwie kam im Gespräch das englische Wort für kultiviert, „sophisticated“ auf. Darauf sagte die junge Dame. „No, not so, only phisticated!.“ Überbieten kann das eigentlich nur noch das Pressezentrum, in dem wir ausländischen Korrespondenten unsere Akkreditierung bekommen. An der Tür steht „Press Enter“. Das C ist irgendwo verloren gegangen.