Am 8. März war internationaler Frauentag und da ist es an der Zeit ein Loblied auf die ägyptische Frau zu singen, denn sie ist der heimliche Motor dieser Gesellschaft. Ich weiß, im Westen werden arabische Frauen immer nur als unterdrückte Wesen ohne Rechte angesehen, die sich unter einem Ganzkörperschleier verstecken müssen. Aber diese Gesellschaften sind wesentlich vielschichtiger, als dieses oberflächliche, einseitige Vorurteil. Der Platz dieser Kolumne reicht nicht aus, um all die verschiedenen Facetten und Problematiken der ägyptischen Gesellschaft zu diskutieren und aufzulösen. Ich möchte vielmehr diese Zeilen nutzen, um einige Beispiele von Frauen zu nennen, die alle auf ihre Weise beindruckende Persönlichkeiten sind. Da wäre zum Beispiel Um Fatma – in der arabischen Welt werden Mütter und Väter oft mit dem Namen ihrer Erstgeborenen gerufen, in diesem Fall also Um „Mutter“ von Fatma. Um Fatma ist eine einfache Frau, die jeden Tag vor Sonnenaufgang aufsteht, kiloweise Kartoffeln schält und schneidet, um sie dann im Zentrum der Stadt von einem kleinen Wagen aus frittiert zu verkaufen. Es ist ein harter Job den normalerweise nur Männer machen. Doch Um Fatmas Mann ist krank, ebenso wie eine ihrer Töchter. Sie bestreitet nicht nur den Lebensunterhalt für ihre ganze Familie, sie kümmert sich auch um Mann, Tochter und den Haushalt. Sie hätte allen Grund verbittert zu sein, doch diese Frau strahlt soviel Güte aus, dass es einen Demut lehrt. Oder da wäre Mona, die als Putzfrau arbeitet. Sie hat nie gelernt zu lesen oder zu schreiben aber sie hatte trotzdem die Kraft und den Mut, sich von zwei prügelnden und noch dazu faulen Ehemännern scheiden zu lassen und ihren Sohn und ihre Tochter alleine großzuziehen. Sie ernährt mittlerweile eine sechsköpfige Familie und ihre zehnjährige Tochter möchte einmal Ingenieurin werden. Azza Fahmy hatte einen wesentlich privilegierteren Start in das Leben, aus gutem Hause kommend mit Studium in der Tasche. Trotzdem tat sie etwas Unerhörtes vor 45 Jahren: Sie brach ein Tabu und drang in eine Männerdomäne ein. Sie ließ sich im Khan El Khalili Bazar, als einzige Frau unter Männern, in die Geheimnisse des Schmuckhandwerks einführen und ist heute die erfolgreichste ägyptische Schmuckdesignerin. Es gäbe tausende starke, mutige, erfolgreiche Frauen zu erwähnen. Doch eine Frau hat mich dieser Tage besonders beeindruckt. Während einer Live-Schalte kam es zum Streit zwischen einem ägyptischen Islamisten und der libanesischen TV-Moderatorin Rima Karaki. Der Islamist beleidigte die Moderatorin mehrfach und sagte schließlich, sie solle endlich die Klappe halten, damit er weiterreden könne. Da reichte es der hübschen Libanesin. Sie wies den Mann darauf hin, dass ein Interview nur in gegenseitigem Respekt geführt werden könne und schmiss den Mann mit den Worten: „Genug. Lasst und das hier abschließen“ aus der Schalte. Bravo!
International Women’s Day: Translating, or Mistranslating, Arab Feminisms
Nawal El Saadawi ist eine faszinierende Frau. Ich hatte die große Ehre, sie im Herbst 2010 auf eine Reise nach Mexiko und Schweden begleiten zu dürfen. Wir haben auf dieser langen Reise viel geredet und die Kraft dieser damals schon fast 80-jährigen Frau, ihre Klarheit, ihre Durchsetzungskraft und ihr Mut, sich von niemandem niemals den Mund und ihre Gedanken verbieten zu lassen, hat mich tief beeindruckt. Sie ist eine Inspiration, nicht nur für ägyptische Frauen und ich hoffe, dass sie uns noch lange erhalten bleibt. Wir brauchen – vor allem in Ägypten, vor allem in dieser Zeit – Frauen, die immer wieder den Finger in die vorhandenen Wunden legen, die Missstände ansprechen und sich vehement für die Rechte der Frauen einsetzen. Nawal El Saadawi ist eine Inspiration, weil sie keine Angst hat. Vor niemandem.
Sand zwischen den Zähnen
Es sieht ein wenig so aus, als ob das Ende der Welt gekommen sei. Zumindest immer dann, wenn ich in den vergangenen zwei Tagen durch meine Gardinen gelugt oder mich doch auf die Straße getraut habe. Eine Kaltfront aus Europa fegt mit Stürmen über Kairo hinweg. Der Sand verdunkelt den Himmel und dringt durch jede noch so kleine Ritze. Alles knirscht und im Haus beginnen sich kleine Sandhäuflein vor den Fenstern und Türen zu bilden, die besonders in Altbauten nie ganz dicht sind. Die Gardinen helfen ein wenig den Wind abzuhalten, aber der Sand kommt trotzdem rein. Auf den Straßen liegen abgebrochene Äste und ganze Bäume sind entwurzelt worden durch den Sturm. Gestern Abend lief ich durch ein gespenstisch leeres Kairo. Niemand geht vor die Tür, wenn er nicht unbedingt muss. Viele Menschen die den ganzen Tag draußen sind haben sich in der Apotheke Mundschutz besorgt, um zumindest den schlimmsten Staub und Sand abzuhalten. Aber auch wenn man sich hauptsächlich drinnen aufhält merkt man den Effekt, den Sand auf die Lungen hat. Es kratzt und tut weh. Gestern Abend habe ich mit meinen Freunden im Chor gehustet.
Morgen soll es zum Glück langsam besser werden. Es bleibt zwar mit 6-14 Grad kühl, aber zumindest soll die Sonne wieder zum Vorschein kommen. Ich freue mich drauf.
Superhelden gesucht
Kairo ist ein Moloch und das tägliche Leben für die meisten der 20 Millionen Einwohner ein Kampf. Ende vergangenen Jahres fragten sich zwei ägyptische Freunde, der eine Fotograf der andere Koch, wie es wohl einem Superhelden in Kairo ergehen würde. Eine Idee war geboren und von nun an lief der Koch als Spiderman verkleidet durch die Straßen Kairos. Er rannte hinter überfüllten Bussen her, drängte sich in die übervolle U-Bahn, lief durch Volksviertel, rauchte auf Häuserdächern Wasserpfeife und ließ sich bei all dem fotografieren. Am Ende musste sogar Spiderman zugeben, dass man ein Superheld sein muss, um in dieser Stadt zu überleben. Die Aktion wurde ein viraler Hit, die Fotos tausendfach auf sozialen Medien geteilt. Das Leben in Kairo auch Kampf bedeutet, zeigen auch mehrere Studien. Der so genannte „Where-to-be-born“-Index des Economist misst zum Beispiel, an welchem Ort der Welt man am besten geboren wird, um ein glückliches Leben zu führen. Ägypten ist es der Studie zufolge nicht. Das Land am Nil landet auf Platz 60 von 80. Neulich las ich dann in einem ägyptischen Online-Magazin, dass das Forschungsunternehmen Gallup untersucht hat, in welchem Land dieser Erde die Menschen am positivsten und in welchen am negativsten sind. Der Index habe untersucht, inwieweit die Menschen in den verschiedenen Ländern Stress, Wut, Trauer, körperlichen Schmerz und Sorge erfahren. Den höchsten negativen Erfahrungsindex hat der Studie zufolge der Irak, gefolgt von Iran. Platz drei teilen sich Griechenland und Ägypten. Damit wäre Ägypten das dritt-negativste Land der Welt. Das die Stimmung im Land schlecht ist, ist auch ein viel debattiertes Thema in meinem Freundeskreis. Es ist auch kein Wunder, die politische- und wirtschaftliche Misere des Landes macht den Menschen zu schaffen, Korruption, schlechte Bildung und keine wirkliche Perspektive, dass sich in der nächsten Zeit etwas an der Situation ändern wird, lassen die Menschen verzweifeln. Es herrscht kollektive Depression. Jedenfalls scheint es so. Dabei sind die Ägypter im Grunde ein so fröhliches Volk. Der Witz der Ägypter ist in der arabischen Welt berüchtigt. Doch in einem Land, in dem der beliebteste Satiriker der arabischen Welt nicht mehr auf Sendung geht, weil es einigen Menschen in diesem Land nicht passt, wenn über sie Witze gemacht werden, kann einem ja nur das Lachen vergehen. Ich warte täglich darauf, dass Bassem Youssef wieder auf Sendung geht. Dann wäre die Witzkultur des Landes gerettet und die nächste Studie kann kommen. Denn eines ist sicher, wenn Machthaber erlauben, dass über sie Witze gemacht werden, dann geht es mit einem Land auch sonst bergauf.
Cairo today
So stelle ich mir das vor…. Viel Sonne, etwas Wind, einfach fantastisches Wetter heute. Es geht bergauf mit den Temperaturen. Ist auch gut so, einer meiner Heizstrahler hat sich nämlich gerade verabschiedet. Es roch verbrannt und plötzlich qualmte es. Huh. Ich hab da grad so eine Phase, wie es scheint. Gestern hab ich meine Linsensuppe – im Volksmund auch „ägyptische Heizung“ genannt, vollkommen verbrannt, weil ich zu lange am Telefon war. Das ganze Haus war eine einzige, schwarze Rauchwolke. Wunderbar. Ich will ja nicht abergläubisch sein, aber vielleicht sollte ich ein Blatt Papier über dem Waschbecken verbrennen, nur zur Sicherheit. Nach dem Motto: Drei Mal Feuer und dann ist der Fluch gebrochen, oder so ähnlich.