Hinter dem Paradies. Der Titel des Buches von Mansura Eseddin hat bei mir große Erwartungen geweckt. Zum einen dieser Titel. Wie ein Versprechen auf ein großes Geheimnis, eine Verlockung. Zum anderen, weil ich endlich – nach langer Zeit mal wieder einen Roman über Ägypten lesen wollte. Hinzu von einer jungen Ägypterin, die ich als Moderatorin dieser Veranstaltung: Das Literarische Colloquium Berlin (LCB) und Goethe-Institut Kairo; Verlagsmetropole Kairo, Zeitgenössische Deutsche Literatur in Kairo. Eine Podiumsdiskussion mit Autoren aus Deutschland und Ägypten über die „Herausforderungen des Schreibens“ kennengelernt habe. Ich war also gespannt.

Der Roman beginnt furios, der erste Satz schon ein emotionaler Ausbruch. „Wie eine Furie stürmte Salma Raschid die acht Stufen des Hauses hinunter.“ Der zweite Absatz treibt die Emotion weiter voran: „Sie schien wie von unbekannten Kräften, von einer Obsession getrieben. Mit einiger Mühe öffnete sie die Kiste, holte die Papiere heraus, die darin lagen, musterte sie eins ums andere und legte sie dann zurück. Sie goss einige Spritzer Kerosin darüber und setze das Ganze ohne den geringsten Anflug eines Zögerns in Brand.“

Meine Neugier war natürlich sofort geweckt. Was waren das für Papiere, die Salma, die Protagonistin des Buches, so wütend machten, dass sie die gesamte Holzkiste in Brand setze? Die gesamte Geschichte, dachte ich, würde sich auf diese Frage konzentrieren und mir spätestens am Ende des Romas diese Frage beantworten. Leider wurde ich enttäuscht. Meine Frage wurde mir nie beantwortet. Dafür kamen im Laufe der Lektüre immer neue Fragen hinzu und ließen mich immer ratloser zurück. Keine der vielen Figuren, die Teil dieses Familienromans sind, gingen mir nahe, mit niemandem konnte ich mich identifizieren, niemanden verstehen.

Mansura Eseddin spannt in ihrem Familienroman, der im Nildelta spielt, den Bogen über Generationen. Vom Großvater über Vater, Onkel und schließlich bis hin zu Salma und Gamila, den zwei Protagonistinnen der dritten Generation. Dabei beginnt Mansura Eseddin immer wieder neue Erzählstränge, wechselt ständig zwischen verschiedenen Personen dieser großen Familie, springt zwischen Erinnerungen, Traum und Geschichten. Hinzu kommt, dass Mansura Eseddin auch immer wieder Zeitsprünge einbaut, von einem Satz zum nächsten von der Vergangenheit in die Gegenwart springt. Sie beginnt eine Geschichte, löst sie aber nicht auf und wechselt zur nächsten. Damit hinterlässt sie mich als Leser verwirrt und unzufrieden zurück.

Ich bekam weder eine Erklärung der verworrenen Persönlichkeit Salmas, noch warum sie so eine ambivalente Beziehung zu ihrer Kindheitsfreundin Gamila hat. Auch Gamila blieb mir fern, obwohl sie einen faszinierenden Lebensweg hinter sich hat.

Trotzdem würde ich ‚Hinter dem Paradies’ empfehlen, vor allem Menschen, die Ägypten – und im Besonderen das Leben auf dem Land – nicht kennen. Denn ‚Hinter dem Paradies’ gibt einen Einblick in die Welt und die Seele der Ägypter, wie sie denken, fühlen und agieren. Man erlebt, wie Schichten und Hierarchien in dieser komplexen Gesellschaft funktionieren, welchen Einfluss der Aberglaube auf die Menschen in Ägypten hat (einen großen, so viel sei verraten), wie Männer und Frauen miteinander leben, welchen Einfluss die Geschlechterrollen auf das Leben haben und auch wie Sexualität und Macht ausgelebt und benutzt werden. Diese Beschreibungen gehören für mich zu den interessantesten und mitreißendsten des Buches, und auch deshalb hoffe ich, dass ‚Hinter dem Paradies’ viele interessierte Leser findet.

Hinter dem Paradies von Mansura Eseddin
Hinter dem Paradies von Mansura Eseddin

Leave a Comment

Your email address will not be published. Marked fields are required.

*