Der Mann mit den funkelnden Augen

Was für ein Glück ich hatte. Ich durfte diesen Mann persönlich treffen, ihm aus der Nähe in seine unwiderstehlichen, funkelnden, dunklen Augen schauen, ein paar freundliche Worte mit ihm wechseln, seinen Charme und seine außergewöhnliche Ausstrahlung erleben, die er trotz seines Alters nicht verloren hatte. Er war einer der größten Stars, die Ägypten je hervorgebracht hat und trotz seines Ruhms war er nahbar geblieben. Ein zuvorkommender, sympathischer und liebenswerter Mann. Omar Sharif. Die Legende. Der Weltstar. Gestern starb er in Kairo an einem Herzinfarkt im Alter von 83 Jahren.

Das erste Mal sah ich ihn in dem Jahr, in dem ich zum ersten Mal überhaupt in Kairo lebte. Es war 1996 und ich war eines Abends mit einer Gruppe Freunden zu einem Geburtstagsabendessen ins „Four Corner“ in Zamalek unterwegs, einer Gruppe von vier Restaurants, die alle nebeneinander in einem Gebäudekomplex lagen und die es heute leider nicht mehr gibt. Wir wollten gerade das italienische Lokal betreten, als Omar Sharif in Begleitung aus dem französischen Restaurant trat. Ich erkannte ihn nicht gleich, aber mein Freund Terrence wusste sofort, wer da auf den Fahrstuhl zuging, aus dem wir gerade herausgekommen waren. Er handelte instinktiv, ging auf Omar Sharif zu und gab ihm die Hand. Es war ein kurzes, freundliches Geplauder auf Französisch und dann war der Weltstar im Lift verschwunden. Ich konnte nur staunen.

Ein paar Jahre später sah ich ihn wieder. Dieses Mal war ich mit einer Gruppe Freunden im Abu Seid in Zamalek zum Abendessen verabredet, damals eines der beliebtesten ägyptischen Restaurants der Stadt. Als ich das Lokal betrat, an dessen Wänden nostalgische Porträts der großen Stars Ägyptens aus dem 20. Jahrhundert hängen, sah ich ihn sofort. Er saß an einem großen, runden Tisch direkt am Eingang. Wir bekamen einen Tisch weiter hinten im Raum, doch später am Abend musste Omar Sharif direkt an unserem Tisch vorbei. In unserer Runde befanden sich außer einem Freund nur Mädchen. Omar Sharif kam an unserem Tisch vorbei, lächelte uns freundlich an, blieb kurz stehen und klopfte dem Jungen anerkennend auf die Schulter. „So gut hätte ich es auch mal gerne“, scherzte er und lachte herzlich. Wir waren alle sofort verliebt. Eine meiner Freundinnen fasste sich ein Herz und fragte, ob es in Ordnung sei, wenn wir mit ihm ein Foto machen würden. Ich hatte das Gefühl, es schmeichelte ihn ungemein, dass ihn in seinem Alter noch so junge Mädchen nach einem Foto fragten. Wir waren Anfang 20, er etwa Mitte 70. Seine ganz großen Erfolge – Doktor Zhivago und Lawrence von Arabien – lagen Jahrzehnte zurück. Aber ich hatte Doktor Zhivago dutzende Mal gesehen, meine Schwester und ich waren als Kinder ganz vernarrt in dieses Melodram.

Damals, im Abu Seid drückte ich auf den Auslöser, während Omar Sharif meine Schwester und eine meiner besten Freundinnen im Arm hielt. Er genoss es sichtlich. Ich traute mich nicht, auch noch nach einem Foto zu fragen.

Aber Jahre später bekam ich dann meine Chance. Ich aß mit meiner Kollegin und Freundin Kristina Bergmann, damals Korrespondentin für die NZZ, in der „Trattoria“ in Zamalek zu Abend, einem kleinen Italiener, der von Tarek Sharif, dem einzigen Sohn Omar Sharifs betrieben wird. Durch Zufall war auch der berühmte Vater an diesem Abend zu Gast. Er saß mit seinem Freund Zahi Hawass, damals ägyptischer Antikenminister, zusammen und die Männer unterhielten sich angeregt. Wahrscheinlich hätte ich mich wieder nicht getraut – ich halte viel von Privatsphäre und finde es unangenehm, Menschen beim Essen zu stören. Aber Kristina, die schon etwa zwei Jahrzehnte in Kairo lebte, kannte zum einen Zahi Hawass und sammelte zudem schon seit Jahren Porträts mit bekannten Menschen aus der arabischen Welt, die sie während ihrer unzähligen Recherchen und Interviews traf. Sie ging also zu den beiden Herren hinüber und fragte, ob Omar Sharif bereit wäre, ein Foto mit ihr zu machen. Wieder war ich es, die auf den Auslöser drückte, aber dieses Mal nahm ich mir ein Herz und bat darum, als Gegenleistung auch ein gemeinsames Foto machen zu dürfen. Es war ein kurzes aber wieder sehr freundliches Zusammentreffen. Ja, und seine Augen funkelnden immer noch, obwohl er schon stark auf die 80 Jahre zuging. Er hatte nichts von seinem Charme und seiner Ausstrahlung eingebüßt.

Ich bin dankbar, ihn persönlich kennengelernt zu haben, auch wenn es immer nur kurze Zusammentreffen waren. Er war ein außergewöhnlicher Mann und der Held meiner Kindheit, in der ich von dem schönen, romantischen Doktor Zhivago schwärmte, obwohl der Film schon 1965 gedreht wurde. Wir müssen ihn zu Hause auf Videokassette gehabt haben und er gehörte zu den Filmen – darunter auch „Vom Winde Verweht“, „Annie“ und „A Chorus Line“ – die meine Schwester und ich immer wieder hervorkramten und nie müde wurden, noch einmal zu sehen. Jetzt ist dieser Held, diese Filmlegende gestorben. Er wird vermisst werden, vor allem von seinem einzigen Sohn Tarek, der innerhalb weniger Monate beide Eltern verloren hat. Faten Hamama, die große Liebe von Omar Sharif, die Frau, für die er zum Islam konvertierte, starb am 17. Januar diesen Jahres.

Omar Sharif und ich im Oktober 2010 in der Trattoria seines Sohnes Tarek
Omar Sharif und ich im Oktober 2010 in der Trattoria seines Sohnes Tarek

A Pop Of Colour

Abendhimmel über der Wüste

 

Die Sonne versinkt

Und lässt die Wolken brennen

Atemloses Farbenmeer

 

Brennender Himmel über der Wüste
Brennender Himmel über der Wüste

 

Der Abendhimmel über Kairo, Blick von der 6. Oktober-Brücke über Zamalek nach Downtown

Der Kairo Turm auf Zamalek in der Abendsonne
Der Kairo Turm auf Zamalek in der Abendsonne

Filme und Brücken verbinden Menschen

Kasr El Nil Brücke, Kairo

 

Das Thema für das heutige Foto des Photo101-Workshops ist Verbindung. Das Bild, das ich heute Nachmittag in Kairo aufgenommen habe, symbolisiert für mich Verbindung in zweierlei Hinsicht. Zum einen verbindet die Kasr El Nil Brücke seit 1933 das westliche Nilufer mit der Halbinsel Zamalek und gehört zu den Ikonen im Stadtbild Kairos. Eigentlich ist die Brücke für den überbordenden Verkehr der 20-Millionen-Metropole schon längst viel zu eng und veraltet, aber sie ist seit jeher sehr beliebt bei Flaneuren und verliebten Paaren, die den Ausblick auf den Nil und die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung genießen. Die vier Löwenstatuen an den jeweiligen Brückenköpfen gehören für mich zu Kairos Innenstadt wie das ägyptische Museum und der Kairoer Aussichtsturm auf Zamalek.

 

Nachmittags herrscht fast immer Stau auf der Kasr El Nil Brücke
Trotz des regen Verkehrs ist die Kasr El Nil Brücke sehr beliebt bei Spaziergängern

 

Das Bild zeigt aber auch noch eine andere Dimension von Verbindung. Gestern Abend wurde im Kairoer Opernhaus das 36. Internationale Kairoer Filmfestival eröffnet. Das Opernhaus befindet sich keine hundert Meter von der Kasr El Nil Brücke entfernt. Schaut man sich das Foto oben an, so liegt die Oper in meinem Rücken. Auf der Brücke flattern seit gestern und noch bis zum 18. November die Nationalfahnen der Nationen, die mit Filmen auf dem Festival vertreten sind. Auch Deutschland ist dabei. Unter anderem werden „The Cut“ von Fatik Akin und „Diplomacy“ von Volker Schlöndorff gezeigt. Beide Regisseure sind für das Festival nach Kairo gereist, um hier ihre Filme zu präsentieren. Das Festival verbindet Filmemacher und Filminteressierte aus der ganzen Welt, die in den kommenden Tagen Filme zeigen, schauen und darüber diskutieren werden.

Einkaufen hilft immer

Es gibt so Tage, da möchte man in Kairo einfach den Kopf unter die Decke stecken und nicht mehr raus kommen. Natürlich gibt es diese Momente immer und überall auf der Welt, Weltschmerz kennt keine Grenzen. Es gibt halt so Tage, da scheint nichts so zu laufen, wie man es sich erhofft hat. Dann steckt der Wurm drin und man muss es irgendwie akzeptieren und hoffen, dass es schnell vorbei geht.

Bei mir häufen sich diese Tage in Kairo sobald es Sommer wird und die Temperaturen in für mich unerträgliche Höhen schießen. Dann überkommt mich das Heimweh öfter als sonst, die Sehnsucht nach Grün, kälteren Tagen und Regen. Ja, ich vermisse Regen. Das versteht natürlich in Deutschland immer keiner, aber wer mal einen trockenen Sommer in Kairo erlebt hat weiß, wovon ich spreche. Ich liebe meine Gummistiefel, und ich will sie nicht nur anschauen, sondern auch tragen. Ich freue mich wie ein Kleinkind wenn es nass genug ist, um sie anzuziehen und durch Pfützen zu marschieren. Passiert in Kairo eher selten, gebe ich zu. Aber diesen Winter hatte ich Glück. Es hat ein paar Mal richtig heftig geregnet und ich war eine von den ganz wenigen in diesem Land, die mit trockenen Füßen durch die riesen Pfützen der Stadt lief.

Aber zurück zum Heimweh. Wenn das Thema auf Gummistiefel kommt tendiere ich dazu abzuschweifen.

Es ist jetzt also Juni und es ist heiß in Kairo. Zu heiß. Da schlägt das Heimweh mit voller Kraft zu. Man muss sich also Strategien ausdenken, um das Heimweh auszutricksen. Eine gute Möglichkeit ist, sich bei über 40 Grad im Schatten in einen vollklimatisierten Supermarkt zu begeben. Gourmet in Zamalek eignet sich dazu zum Beispiel hervorragend. Der Laden ist zwar sehr klein, dafür bietet er aber alles, was das Ausländer-Herz begehrt. Gourmet gibt es seit einigen Jahren in Ägypten und seither ist der Laden für viele von uns unersetzlich geworden. Die Steaks kommen aus Australien, der Käse aus der Schweiz, der Lachs aus Norwegen und die sauren Gurken aus Deutschland. Hierher gehe ich, wenn ich das Gefühl haben möchte, nicht in Ägypten zu sein, weil ich hier fast alles finden kann, was es auch in Deutschland zu kaufen gäbe. Fast, aber immerhin. Neulich konnte ich mein Glück kaum fassen. Da lag in der Gemüsetheke tatsächlich frischer Grünkohl. Damit hatte ich nicht gerechnet. Grünkohl in Ägypten, das hatte ich noch nie gesehen. Ich glaube, es gibt für Grünkohl noch nicht mal einen Namen auf Arabisch. Manchmal haben sie auch weißen Spargel, auch so eine Seltenheit hier. Der Spargel war eigentlich für den Export nach Deutschland bestimmt und schon mit deutschem Warenhinweis bestückt, landete dann aber irgendwie bei Gourmet und nicht in einem deutschen Supermarkt. Glück für mich! Es gibt keine Ankündigung, man muss einfach am richtigen Tag seine Nase durch die Tür stecken. Es gibt auch so exotische Dinge wie Quinoa bei Gourmet zu kaufen und seit Neuestem haben sie auch Angebote für Veganer oder Menschen, die eine Laktose-Intoleranz haben. Beides Phänomene im Übrigen, denen man in Ägypten kaum begegnet. Menschen die kein Fleisch essen sind den Ägyptern schon mal per se suspekt, aber obendrein auch keinen Käse, keine Eier oder Milch!? Undenkbar. Dabei soll es mittlerweile ein veganes Restaurant in Kairo geben. Muss ich ausprobieren. Es gibt also bei Gourmet jetzt auch Mandel- und Sojamilch. Ich war so begeistert, ich habe gleich eine Packung Mandelmilch mit nach Hause genommen. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte zuvor noch nie Mandelmilch getrunken. Schmeckt gut, und ich vertrage sie tatsächlich besser als normale Milch. Ich hoffe also, dass Gourmet sie im Angebot behält. Denn: So schnell etwas kommt, so schnell kann es hier auch wieder gehen.

http://www.gourmetegypt.com/store/