Golo ist mein neuer Held

Dass der Mann Ägypten, seine Menschen und ihre Eigenheiten bis ins kleinste Detail studiert hat, wird auf den ersten Blick klar. Golo – französischer Comiczeichner und Illustrator – kam 1973 das erste Mal nach Kairo und war sofort fasziniert. Er kam regelmäßig zurück und zog schließlich 1993 ganz nach Ägypten. Er hat mehrere Comicalben veröffentlicht und seine Zeichnungen und Illustrationen erscheinen unter anderem in der „Cairo Times“. Seit Ende vergangener Woche sind nun seine Werke in einer Ausstellung im ‚Le Viennoise’ in Downtown Kairo zu sehen. Ich kannte seine Arbeiten bisher noch nicht, bin aber seit gestern Abend Fan. Besonders eindrücklich fand ich die Zeichnungen des ägyptischen Alltags, die Straßenszenen und die Porträts spärlich bekleideter Touristinnen auf deren knall-engen T-Shirts Schriftzüge wie dieser prangen: „Tourism for Development“. Wunderbar! Schön auch der Spruch: „Smile, you are in Egypt“, den ein filmender Rentner auf seinem T-Shirt trägt, während ihn schwer bewaffnete Sicherheitskräfte umringen. Golo legt den Finger in die Wunde. Denn natürlich sind diese Sprüche nicht nur lustig, sondern sie haben auch eine politische Komponente. Etliche seiner Comics beschäftigen sich mit der politischen Situation der vergangenen drei Jahre, aber er beschäftigt sich auch mit der Geschichte des Landes, sei es der neueren oder der pharaonischen Geschichte. Besonders angesprochen haben mich auch seine Illustrationen aus Luxor, wo Golo seit 2001 mit seiner Lebensgefährtin Dibou lebt. Vielleicht auch deshalb, weil er sich in seinen Zeichnungen eindringlich mit dem Dorf Al-Qurna beschäftigt. Erst im April war ich dort, auf meiner Reise in den Süden des Landes, da Al-Qurna gleich gegenüber des Marsam Hotels liegt, in dem ich einige Tage verbracht habe. Ich habe das Dorf, oder was davon übrig geblieben ist, auf seinen Zeichnungen sofort erkannt. Die gelben Häuser am Hügel haben eine magische Ausstrahlungskraft. Golo dokumentiert in zahlreichen Illustrationen eindrücklich die Zerstörung des auf einem altägyptischen Gräberfeld gelegenen Dorfes Al-Qurna. Jahrelang versuchte die ägyptische Regierung, die Einwohner Al-Qrnahs umzusiedeln, um das Gräberfeld für den Massentourismus zugänglich zu machen. Der Comic „Chroniques de la nécropole“ (2011, dt. »Chronik einer verschwundenen Stadt«, 2012) gibt den 300 vertriebenen Familien des Dorfes eine Stimme und zeigt, wie durch die Versetzung des Ortes um einige Kilometer eine wertvolle Kultur zerstört wurde. „Chronik einer verschwundenen Stadt“ erzählt nicht nur die Geschichte Al-Qurnas, sondern gleichzeitig die von Golo und Dibou als Bewohner dieses Dorfes.

Am liebsten hätte ich einen Golo mit nach Hause genommen, für meine Sammlung. Aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden, welche Zeichnung ich nun am besten fand. Immer diese Entscheidungen! Also habe ich erst einmal Bilder gemacht und Postkarten gekauft. Bis Ende des Monats habe ich Zeit, mir Gedanken darüber zu machen. So lange läuft die Ausstellung noch.

http://www.avant-verlag.de/artist/golo

http://www.golobd.com/golo/golobd.html

 

Die Reise geht weiter

Nachdem ich mich beim Kitesurfen – oder besser gesagt beim üben auf dem Wasser total verausgabt hatte, musste ich mich in Windeseile duschen, umziehen und packen. Mein Fahrer wartete schon ungeduldig, der mich von El Gouna 350 Kilometer weiter südlich ins Landesinnere nach Luxor bringen sollte. Da Egypt Air keine Direktflüge mehr von Hurghada nach Luxor anbietet, war ein Auto die beste Lösung, auch wenn die Fahrt gute fünf Stunden dauert. Die erste Strecke ist recht öde, aber sobald wir den Nil in Qena erreichten, war ich verzaubert. Selten habe ich eine so saubere, grüne Stadt in Ägypten gesehen. So viele Bäume!

Kurz vor Sonnenuntergang waren wir in Luxor. Unser Hotel, das Marsam Shiek Ali, ist das älteste Hotel auf der Westbank, der Vater von Shiek Ali baute es Anfang des 20. Jahrhundert. Seit Jahrzehnten ist es ein Treffpunkt für Archäologen, Künstler und Ägyptenliebhaber. Es hat einen ganz eigenen Charme, ohne den üblichen 5-Sterne-Luxus, ausgestattet dafür aber mit umso mehr Atmosphäre und Gastfreundschaft.

Das Marsam steht eingebettet zwischen Ramesseum, dem Tempel von Medinat Habu und Merenptah, und von hier aus sind alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Westseite Luxors zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen, die man für 10 LE (umgerechnet 1 Euro) am Tag im Hotel leihen kann. Am Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang vom Hotel zum Ramesseum durch die Felder zu spazieren ist magisch. Aber eigentlich will man nirgendwo hin, sobald man im Marsam angekommen ist. Vom Garten des Hotels aus schaut man über die angrenzenden Felder und genießt den ganzen Tag lang die unfassbare Ruhe – und am frühen Morgen hat man von hier aus einen traumhaften Ausblick auf den Sonnenaufgang hinter den Palmenhainen, die sich über die Felder erstrecken. Ich gebe zu, ich habe ihn nicht erlebt, so früh war ich nie wach. Ich habe viel geschlafen – die Betten ähneln Futons, mit Gestellen aus Palmwedel und Matratzen aus Baumwolle – und hauptsächlich im Garten gesessen, genossen und sehr viel gegessen. Ich habe mich morgens, mittags und abends durch die ganze Vielfalt der ägyptischen Küche gegessen und war völlig begeistert vom Koch des Marsam. Besseres Okraschoten-Tagin (Bamja auf ägyptisch) habe ich noch nie gegessen! Alles ist frisch im Marsam, das Gemüse kommt aus dem hauseigenen Garten, dort wachsen Tomaten, Auberginen, Zucchini, Zwiebeln, Knoblauch und scharfe Paprika. Auch die Hühner werden selbst geschlachtet und kommen immer frisch auf den Tisch, darauf besteht Klaus Rao, seit zwei Jahren Manager des Marsam ist. „Ich will, dass es allen schmeckt und mit gutem Gewissen sagen können, dass alles frisch ist“, sagt er. Und es schmeckt. Köstlich. Ich esse und esse und will hier gar nicht mehr weg. Jetzt verstehe ich endlich all die Freunde, die schon seit Jahren ins Marsam kommen und aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus kommen. Der Abschied fällt mir schwer, ich habe hier so wunderbar abschalten können, aber der nächste Ort steht auf dem Programm und ich ziehe weiter, tiefer in den Süden, wo der Nil schöner ist als nirgendwo sonst in Ägypten.

http://www.marsamluxor.com/