Im Juni besuchte der ägyptische Ministerpräsident zwei Krankenhäuser in Kairo, und er war schockiert von dem was er sah. Überraschend, denn kein Ägypter wäre an seiner Stelle schockiert gewesen. Alle wissen, wie schlecht es um den Zustand der öffentlichen Einrichtungen in Ägypten steht. Als Antwort auf die Unwissenheit des Ministerpräsidenten erstellten ägyptische Ärzte eine Facebook-Seite, auf der sie Fotos von den Verhältnissen in ägyptischen Krankenhäusern posteten. Die Bilder zeigen kranke Menschen, die auf den Fluren von Krankenhäusern liegen – auf dem Boden. Blut, das auf den Böden gerinnt. Müllberge. Tiere, die es sich auf den Stationen gemütlich machen. Viele Menschen taten es den Ärzten nach und erstellten ihre eigenen Facebook-Seiten, um dem Ministerpräsident zu zeigen, wie es so in den Amtsstuben, Universitäten und Gerichten aussieht. Sie alle haben den gleichen Namen: „Damit er nicht überrascht ist, wenn er zu Besuch kommt.“ Die Ägypter waren schon immer berüchtigt für ihren sarkastischen Witz. Zugleich ist es eine harsche Kritik an den Regierenden, die von jeher in Ägypten in einer anderen Welt leben als die große Masse der Menschen. Es ist die Anklage an der totalen Vernachlässigung und dem Versagen der öffentlichen Hand. Kanäle, um Missstände zu äußern, gab es früher nicht. Heute nutzen die Menschen soziale Medien. Auch ich habe Arztbesuche in Ägypten immer gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Nicht, dass es in Ägypten keine guten Ärzte gäbe, ganz im Gegenteil. Viele haben ihre Ausbildung im Ausland gemacht und arbeiten mit den neuesten Techniken. Aber meine deutsche Vorstellung von Hygiene steht mir da im Weg. Dabei bin ich natürlich schon in einer privilegierten Situation und kann mir die besten Ärzte leisten. Doch auch da läuft nicht immer alles so, wie man es sich wünschen würde. Vor ein paar Jahren musste ich zu einer Untersuchung, die keinen Aufschub duldete. Ich ging zu einem der besten Ärzte des Landes. Der Mann war nach der Revolution mal kurzzeitig Gesundheitsminister gewesen und saß jetzt wieder in seinem schweren Ledersessel hinter einem massiven Holztisch, auf dem Holzkisten mit Cohibas lagen. Ich musste lange warten und irgendwann meldete sich meine Blase. Ich vermeide es auch tunlichst, in Ägypten öffentliche Toiletten aufzusuchen. Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden. Die Toilette sah auch gar nicht so übel aus. Nur leider hatte jemand wohl nicht ganz verstanden, wozu das Klo da ist und sein großes Geschäft davor erledigt. Ich stolperte rücklings wieder hinaus und dann ging es auch wieder mit der Blase. Der Schock. Die Frage ist: auf welchem Parallelstern lebt um Gottes Willen der gute Ministerpräsident?!