Kairo an einem heißen Freitagmorgen im Juni. Es ist 5.30 Uhr. Alle Welt schläft. Wirklich, alle Welt? Nein. Auf einem Militärgelände am Rande der Stadt haben sich hunderte Männer in Formation vor ihrem neuen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi aufgebaut. Alle in weißen T-Shirts und schwarzen kurzen Hosen, Helm auf dem Kopf, ein Fahrrad an der Seite. Nach einer kurzen Ansprache, in der Al-Sisi die Vorzüge des Fahrradfahrens für die ägyptische Wirtschaft preist, schwingt sich der Präsident selber aufs Rad und fährt, gefolgt von Ministern und den hunderten Rekruten, durch die leeren Straßen der noch verschlafenen Stadt. Ein etwas surreales Bild im Morgengrauen. Laut der Weltgesundheitsbehörde sterben jährlich 42 Menschen pro 100.000 Ägyptern auf den Straßen des Landes, in England sind es im Vergleich gerade mal 2,75. Es ist also gefährlich auf den Straßen Ägyptens. Für Fahrradfahrer sowieso. Davon können die zahlreichen Lieferanten der Megametropole Kairo ein Lied singen. Ich bewundere die jungen Männer, die sich mit Brot gefüllten Holzpaletten auf dem Kopf auf ihren Fahrrädern durch den Kairoer-Verkehrsdschungel balancieren. Unfälle gibt es immer wieder. Deshalb bin ich auch seit acht Jahren kein Fahrrad gefahren, obwohl ich nichts schöner fände. Mit dem Fahrrad könnte man dem lähmendem Kairoer Verkehr entkommen und wäre in Windeseile überall. Das haben mittlerweile auch viele junge Ägypter verstanden. Schon seit ein paar Jahren gibt es Fahrrad-Clubs in Kairo. Die Rad-Enthusiasten treffen sich Freitagmorgens, wenn Kairo noch schläft und die Straßen leer sind. Die Stunden bis zum Freitagsgebet am Mittag gehören zu den Schönsten in Ägypten. Nie ist es so friedlich. Das nutzen die Radler. Wenn man früh genug wach ist, kann man große Gruppen von Männern und Frauen durch die Stadt radeln sehen. Auch im Alltag beobachte ich den schleichenden Einzug des Rads in die ägyptische Gesellschaft. In den letzten Jahren sind immer mehr junge Menschen, gerade in den besseren Gegenden, auf das Rad umgestiegen. IPod im Ohr sausen sie an den im Stau steckenden Autos vorbei, der Gefahr durch wild ausscherende Autos trotzend. Diese Menschen haben es satt, in einer verstopften, dreckigen Stadt zu leben und tun etwas dagegen. Auch viele Frauen trauen sich mittlerweile aufs Rad trotz der Anmache, der sie oft ausgesetzt sind. Neulich beobachtete ich zwei Mädchen. Eine war verschleiert und bretterte mit einem Mountainbike durch die Straßen, die andere hatte eine coole Kurzhaarfrisur, eine Art Hollandfahrrad mit Körbchen vor der Stange und manövrierte sich auf einem stark befahrenen Kreisel durch den Abendverkehr. Diese Frauen geben mir Hoffnung. Sie sind die Vorreiter, an denen sich auch der Präsident ein Beispiel nehmen sollte. Der hatte an besagtem Freitagmorgen nämlich nur Männer im Schlepptau.