‚Toys‘ – Eine etwas andere Reise durch Kairo

Es gibt viele gute Gründe, Hany Rashed zu mögen. Er ist nicht nur ein sehr sympathischer Mensch, offen, herzlich und ohne Berührungsängste, er ist auch ein spannender Künstler, der sich in Ägypten und über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht hat. Hany Rashed wurde 1975 in Cairo geboren, wo er bis heute lebt. Er begann seine künstlerische Karriere als Lehrling im Atelier von Mohammed Abla, einem renommierten ägyptischen Künstler, der auch eine besonders enge Bindung zu Deutschland und der Schweiz hat. Nach fast zehn Jahren an Abla’s Seite ging Hany Rashed 2003 seine eigenen Wege und hat seitdem an internationalen Gruppenausstellungen in London, Griechenland, Italien, Dubai, Senegal, Spanien und Schweden teilgenommen. In der Mashrabia Kunstgalerie in Downtown Kairo fand Anfang Mai Hany Rashed’s neunte Einzelausstellung statt, und sie war außergewöhnlich – wie seine Arbeiten so oft sind. Ich war sofort fasziniert von ‚Toys‘. Es gab dieses Mal keine Zeichnungen und Bilder von Hany Rashed. Stattdessen nahm er den Besucher mit auf eine Reise durch das Kairo von heute. Fast wie in einem Comicfilm wurden die Charaktere und Situationen zum Leben erweckt. Hany Rashed hat eine Welt erschaffen, in der alles um ihn herum – von Bussen und Autos über Menschen und Häuser – in Plastikobjekte verwandelt wird. Die Objekte erinnern stark an Kinderspielzeuge oder auch an Comiczeichnungen. Rashed hat die Plastikformen mit einer speziellen Technik ausgedehnt und wieder zusammengezogen. Dadurch entsteht ein Welleneffekt, der den Objekten eine Dynamik verleiht, die faszinierend ist. Busse und Motorräder scheinen zu fahren, man spürt förmlich den Wind, der den Motorradfahrern ins Gesicht bläst. Die Menschen sind teilweise als Menschenmenge angeordnet oder hängen wie Kinderspielzeuge in Plastiktüten von der Decke. Selten hat eine Ausstellung so viel Spaß gemacht.

Golo ist mein neuer Held

Dass der Mann Ägypten, seine Menschen und ihre Eigenheiten bis ins kleinste Detail studiert hat, wird auf den ersten Blick klar. Golo – französischer Comiczeichner und Illustrator – kam 1973 das erste Mal nach Kairo und war sofort fasziniert. Er kam regelmäßig zurück und zog schließlich 1993 ganz nach Ägypten. Er hat mehrere Comicalben veröffentlicht und seine Zeichnungen und Illustrationen erscheinen unter anderem in der „Cairo Times“. Seit Ende vergangener Woche sind nun seine Werke in einer Ausstellung im ‚Le Viennoise’ in Downtown Kairo zu sehen. Ich kannte seine Arbeiten bisher noch nicht, bin aber seit gestern Abend Fan. Besonders eindrücklich fand ich die Zeichnungen des ägyptischen Alltags, die Straßenszenen und die Porträts spärlich bekleideter Touristinnen auf deren knall-engen T-Shirts Schriftzüge wie dieser prangen: „Tourism for Development“. Wunderbar! Schön auch der Spruch: „Smile, you are in Egypt“, den ein filmender Rentner auf seinem T-Shirt trägt, während ihn schwer bewaffnete Sicherheitskräfte umringen. Golo legt den Finger in die Wunde. Denn natürlich sind diese Sprüche nicht nur lustig, sondern sie haben auch eine politische Komponente. Etliche seiner Comics beschäftigen sich mit der politischen Situation der vergangenen drei Jahre, aber er beschäftigt sich auch mit der Geschichte des Landes, sei es der neueren oder der pharaonischen Geschichte. Besonders angesprochen haben mich auch seine Illustrationen aus Luxor, wo Golo seit 2001 mit seiner Lebensgefährtin Dibou lebt. Vielleicht auch deshalb, weil er sich in seinen Zeichnungen eindringlich mit dem Dorf Al-Qurna beschäftigt. Erst im April war ich dort, auf meiner Reise in den Süden des Landes, da Al-Qurna gleich gegenüber des Marsam Hotels liegt, in dem ich einige Tage verbracht habe. Ich habe das Dorf, oder was davon übrig geblieben ist, auf seinen Zeichnungen sofort erkannt. Die gelben Häuser am Hügel haben eine magische Ausstrahlungskraft. Golo dokumentiert in zahlreichen Illustrationen eindrücklich die Zerstörung des auf einem altägyptischen Gräberfeld gelegenen Dorfes Al-Qurna. Jahrelang versuchte die ägyptische Regierung, die Einwohner Al-Qrnahs umzusiedeln, um das Gräberfeld für den Massentourismus zugänglich zu machen. Der Comic „Chroniques de la nécropole“ (2011, dt. »Chronik einer verschwundenen Stadt«, 2012) gibt den 300 vertriebenen Familien des Dorfes eine Stimme und zeigt, wie durch die Versetzung des Ortes um einige Kilometer eine wertvolle Kultur zerstört wurde. „Chronik einer verschwundenen Stadt“ erzählt nicht nur die Geschichte Al-Qurnas, sondern gleichzeitig die von Golo und Dibou als Bewohner dieses Dorfes.

Am liebsten hätte ich einen Golo mit nach Hause genommen, für meine Sammlung. Aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden, welche Zeichnung ich nun am besten fand. Immer diese Entscheidungen! Also habe ich erst einmal Bilder gemacht und Postkarten gekauft. Bis Ende des Monats habe ich Zeit, mir Gedanken darüber zu machen. So lange läuft die Ausstellung noch.

http://www.avant-verlag.de/artist/golo

http://www.golobd.com/golo/golobd.html