Kennen Sie den Psycho-Horrorthriller „Schatten der Wahrheit“ mit Harrison Ford und Michelle Pfeiffer? Der Film kam im Jahr 2000 in die Kinos, als ich gerade in Alexandria mein Auslandsjahr mit der Uni verbrachte. Dort ging ich eines abends ins Kino, um mir den Film anzusehen. Nun, gesehen habe ich am Ende nicht so wahnsinnig viel von dem Streifen, da ich die meiste Zeit unter meiner Jacke gekauert habe, es war mir einfach zu gruselig. Ich bin da zart besaitet. Was mich allerdings mehr schockiert hat als der Horrorfilm war die junge Mutter, die in der Reihe hinter uns Platz nahm. Die hatte nicht nur ein Neugeborenes auf dem Schoß, sondern auch ein Kind von etwa drei Jahren bei sich, das sehr interessiert dem Film folgte. Mal davon abgesehen, dass das Kind höchstwahrscheinlich einen Hörschaden davongetragen hat, da die ägyptischen Kinobetreiber Filme nur in höchster Lautstärke ausstrahlen – die Ägypter haben eine sehr kurze Konzentrationsspanne und quatschen einfach unheimlich gerne, auch im Kino, da würde man bei normalem Pegel wahrscheinlich nichts vom Film mitbekommen – ich will gar nicht wissen, was der Film mit dieser kleinen Kinderpsyche angestellt hat. Aber das heißt nicht, dass die Ägypter ihre Kinder nicht lieben würden, ganz im Gegenteil. Sie sind ganz verrückt nach ihnen und es ist normal, sie überall mit hinzunehmen. Wer nachts durch Kairo läuft sieht überall Kinder – auf der Straße, in Restaurants und ja, natürlich auch im Kino und im Theater. Wenn die Kinder dann mal schreien kümmert das die Wenigsten. Sie lieben Kinder, ihre eigenen und die anderer Leute. Besonders dann, wenn die Kinder blond und blauäugig sind. In Ägypten ist man sein Kind schneller los, als einem lieb sein kann, irgendjemand möchte es immer auf den Arm nehmen. Auch Küsse werden sehr freizügig verteilt – ob das Kind will oder nicht, schreien führt meist nur dazu, dass noch mehr geküsst und geknuddelt wird, weil die Ägypter davon ausgehen, dass das Kind dann sofort weniger schreien wird. Auf die Idee, dass das Kind aus Angst vor dem fremden Menschen schreien könnte, kommen sie nicht. Mehrere meiner Freundinnen haben damit schon leidlich Erfahrung gemacht. Bei einem Pyramidenbesuch ließ eine Freundin ihr damals noch nicht einjähriges Kind einmal für zwei Minuten auf dem Arm einer jungen Ägypterin, die sie gar nicht kannte aber so verzückt von dem Kleinen war. Im nächsten Moment drehte sie sich um – mit dem Kind im Arm versteht sich – und marschierte aus der Pyramide heraus, natürlich ohne die Mutter vorher zu fragen. Als meine Freundin ihr hinterherlief und entgeistert fragte, was sie sich dabei gedacht habe, entgegnete das Mädchen nur, sie hätte das Kind doch nur ihrer Freundin zeigen wollen. Die Sorge der Mutter konnte sie gar nicht nachvollziehen. Vielleicht liegt es daran, dass es so viele Kinder in Ägypten gibt. Eins mehr oder weniger fällt da gar nicht mehr auf.
Manche Dinge werde ich nie verstehen
Die Ägypter haben ein unerschütterliches Gottvertrauen. Das lässt sich ganz besonders gut im Straßenverkehr beobachten. Es kommt immer alles so, wie es geschrieben steht. Gott wird sich um alles kümmern und seine schützende Hand über uns legen. Deshalb kann man auch getrost auf Autobahnen im Rückwärtsgang zurück zur gerade verpassten Ausfahrt fahren oder gar wenden, weil sich ein Stau gebildet hat und man dann doch lieber in die andere Richtung fahren möchte. Alles kein Problem. Auch Fußgänger, Eselskarren und Fahrradfahrer benutzen gerne die Autobahn und Busse halten einfach irgendwo, um Passagiere ein- und aussteigen zu lassen. Vor kurzem war ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder auf dem Sinai. Die Tage am Strand waren wunderbar, das Wasser und die Luft klar und ich habe mich herrlich erholt. Wenn da nicht die Rückreise mit dem Auto gewesen wäre. Die Straßen in den Sinai gehören zu den gefährlichsten in ganz Ägypten, obwohl sicher ist es nirgendwo. Ein Regierungsbericht aus dem Jahr 2014 hat erfasst, dass es zwischen 2008 und 2012 100.000 Autounfälle in Ägypten gegeben hat, bei denen 33.000 Menschen ums Leben kamen und 150.000 verletzt wurden. Ägypten gehört zu den gefährlichsten Ländern, wenn es um Straßensicherheit geht. Es grenzt also an ein Wunder, dass ich bisher heil geblieben bin, kann ich da nur sagen. Neben Krebs und Herzkrankheiten sind Verkehrsunfälle die häufigste Todesursache in Ägypten. Auf dem Rückweg aus dem Sinai habe ich dem lieben Gott des Öfteren inständig für seine schützende Hand gedankt. Lastwagenfahrer überholen zum Beispiel ständig und wann immer sie gerade Lust haben. Ob da ein Auto auf der Gegenfahrbahn entgegen kommt, ist relativ egal. Eine kleine Lichthupe und schon ist das Problem gelöst. Denn natürlich gibt der Klügere – und in dem Fall der Schwächere – nach. Überhaupt: die Lichthupe. Gern benutzt von den Ägyptern als Kommunikationsmittel, vor allem auf Überlandstraßen beliebt. Weil hier hört man ja die normale Hupe – sonst im Straßenverkehr für die Kommunikation zuständig – kaum. Lichthupe fürs Hallo-Sagen, Danke-Sagen, für Beschimpfungen und das berühmte „Hallo-hier-komm-ich“. Sehr irritierend, wenn man mit deutscher Mentalität an die Sache heran geht. Ich fuhr mit Freunden im Konvoi. Ich vorneweg. Plötzlich schaltet der Freund im Wagen hinter mir die Warnblinkanlage an. Ich natürlich sofort an den Rand gefahren um zu sehen, was passiert ist. Verdutze Gesichter. Er wollte nur einem Wagen auf der anderen Straßenseite hallo sagen. Ach so. Mir ist auf dieser Reise eines klar geworden: Egal wie lang ich in Ägypten lebe, bestimmte Dinge werde ich nie verstehen.
Ein Kokon aus bunten Stoffen
Es gibt so Momente in Kairo, da hat man das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Neulich widerfuhr mir wieder so ein magischer Moment und das auch noch völlig unvorbereitet. Ich war auf dem Weg zu einem Interview-Termin mit der ägyptischen Designerin Nevin Altmann. Ich kenne Nevin schon lange privat, war aber noch nie zuvor in ihrem Atelier. Es hatte sich nie ergeben und wie ich an diesem Tag erfuhr, lud sie auch nie Gäste in ihre Werkstatt ein. Besuch lenke sie nur von der Arbeit ab, erzählte sie mir. Alleine in ihrem kleinen Reich kommen ihr die besten Ideen, hier kann sie versinken zwischen den bunten Stoffen und sich inspirieren lassen von den teilweise jahrhundertealten Mustern, die sie zu hochwertigen Schals, Taschen, Kopfkissen und vielem mehr verarbeitet.
Die Werkstatt befindet sich im Zentrum Kairos an einer der Hauptachsen der Innenstadt in einem der imposanten Häuser, die unter Khedive Ismail am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Heute sieht man von der Straße aus meist wenig von der alten Pracht, weil die Fassaden mit hässlichen Werbeplakaten der Geschäfte gepflastert sind, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dort angesiedelt haben. Doch schon die großen Eingangstüren lassen erahnen, wie sehr sich die französischen Architekten damals von den Häusern ihrer Heimat inspirieren ließen. Khedive Ismail legte in diesen Straßen die Grundsteine der ägyptischen Belle Epoque. Hier also, in einem dieser Häuser, im Gewusel der lauten, verstopften Innenstadt konnte Nevin Altmann in Ruhe arbeiten, kamen ihr, dieser ruhigen, tiefen-entspannten Frau die besten Ideen? Ich war skeptisch.
Aber als sich die Tür zu ihrem kleinen Reich öffnete, war ich sofort verzaubert. Diese alten Häuser sind so groß, dass es Wohnungen gibt, die sich komplett im Bauch des Gebäudes befinden. Hier kommt zwar nie das Sonnenlicht hin, dafür bleibt aber auch der Lärm draußen. Die Mauern schlucken das chaotische Leben auf den Straßen, während Nevin an ihrem Schreibtisch sitzt, zeichnet, näht und mit Farben experimentiert. Schon ihr Vater hat in dieser Wohnung gearbeitet, hatte hier jahrzehntelang sein Büro. Später übernahm Nevin die Wohnung und machte es zu ihrer Werkstatt. Wenn damals, vor etwa 20 Jahren, ihre kleine Tochter von der Schule kam, konnte sie sich hier auf einer extra für sie gebauten Empore ausruhen, Hausaufgaben machen und spielen.
Die Wohnung ist mit all den Stoffen, die sich in den Ecken stapeln, wie ein bunter Kokon, der seine Bewohner vor der lauten Stadt beschützt. Ein kleiner, magischer Ort im Chaos der großen Stadt. Ich wollte eigentlich gar nicht mehr gehen, so aufgehoben habe ich mich dort gefühlt. Aber dann würde Nevin nicht mehr arbeiten können und ihre wunderschönen Taschen und Schals kreieren, die ich so liebe. Ich bin also gegangen, durch den riesigen Hausflur und das imposante Treppenhaus zurück durch die große Eingangstür hinaus in das gleißende Sonnenlicht und die hektische, laute Stadt. Doch der Zauber des bunten Kokons ist mir geblieben, bis heute.
Hier geht es zu einem Artikel über Nevin Altmann in Cairoscene.com
http://cairoscene.com/ViewArticle.aspx?AId=54708-Nevin-Altmann-leather-embroidery-egyptian-brand
Produkte mit Suchtpotenzial
Es gibt Marken, die sind gefährlich. Zumindest für mich, weil ihre Produkte Suchtpotenzial haben und ich leider über überhaupt keine Selbstbeherrschung verfüge, wenn ich nur in ihre Nähe komme. Bei mir gehört auf jeden Fall Malaika Linens dazu, eine Luxusbettwäschen-Firma aus Ägypten, die viel zu viele schöne Dinge produziert. Bettwäsche aus feinster ägyptischer Baumwolle, handbestickt; die wärmsten, zartesten Wolldecken, ohne die kein Sofa dieser Welt sein sollte und ohne die ich keinen Winter mehr überstehen würde; Hausmäntel für Groß und Klein in ebendiesem zarten, fast Kaschmir-weichem Material; hinzu kommen bestickte Tischdecken und Servietten aus Leinen, Untersetzer, Schlafanzüge, Handtücher und vieles, vieles mehr. Es ist das Schlaraffenland für Liebhaber von Schönem in hoher Qualität und am liebsten würde ich meinen Haushalt ausschließlich mit Malaika-Produkten bestücken.
Das Allerbeste ist, dass ich bei Malaika mein Geld nicht nur in ein hochqualitatives Produkt investiere. Bei Malaika wird auch soziale Verantwortung groß geschrieben, denn die Handstickereien und Häkelarbeiten werden von Frauen in Ägypten ausgeführt, die von Malaika angelernt werden. Diese Frauen erlernen so ein Handwerk und verdienen sich damit ihr eigenes Geld, was sie unabhängig macht. Demnächst möchte ich eine Geschichte über die Marke und ihre Macher schreiben und werde dafür die Fabrik besuchen, in der die Frauen arbeiten. Ich bin gespannt und werde über meinen Besuch berichten.
Etwa zwei Mal im Jahr organisiert Malaika einen Sale, bei dem die gesamte Produktpalette vorgestellt wird. Ich warte immer sehnsüchtig darauf, vor allem vor Weihnachten. Es gibt einfach kaum bessere Geschenke aus Ägypten. Dieses Wochenende war es zum Glück wieder so weit. Im Garden City Club war die Lounge in ein Malaika-Paradies verwandelt worden. Passenderweise heißt Malaika übersetzt Engel. Ich habe Weihnachtsgeschenke gekauft, viele Weihnachtsgeschenke, und ein paar Kleinigkeiten für mich. Man sollte sich hin und wieder ja auch selbst eine Freude machen, nicht wahr. Ich habe meinen Bestand an Leinen-Servietten aufgebessert, denn ich finde es gibt nichts Schöneres, als einen Tisch mit Stoff-Servietten einzudecken. Es sieht viel stilvoller aus und ist obendrein nachhaltiger. Außerdem hat Malaika sehr hübsche Untersetzer in das Programm aufgenommen, die ich mir gegönnt habe. Zwei Dinge, in die ich mich verguckt habe, musste ich mir leider verkneifen, dafür hat das Budget nicht gereicht, aber so bleibt noch etwas zum träumen. Bei der großen Tischdecke aus Leinen, bestickt mit kleinen Blumen und durchzogen mit extrem feiner Häkelarbeit war es Liebe auf den ersten Blick. Ich wäre fast schwach geworden. Aber wer weiß…
Die neu ins Sortiment aufgenommene Wolldecke von 160×200 Metern ist wunderschön und kommt auch auf den Wunschzettel. Bis zum nächsten Sale. Sie ist zweifarbig und ist nicht nur kuschelig weich sondern sehr elegant, vor allem in Altrosa und Grau. Und dann gäbe es da ja auch noch die Handtücher und die großen Strandtücher…
Oh, ich gerate ins Schwärmen und höre lieber auf.
Alte Schönheiten
Es waren schon immer die alten Holztüren, die mich am allermeisten auf meinen Streifzügen durch die Städte und Dörfer Ägyptens fasziniert haben. Meist völlig vernachlässigt erzählen sie Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit. Für mich ist es gerade die Verwitterung und Patina, die sie zu etwas ganz Besonderem machen und ihnen in meinen Augen eine unverwechselbare Schönheit geben.
Türen öffnen sich
Geben Einblick in Neues
Unbekannte Stadt