Einkaufen hilft immer

Es gibt so Tage, da möchte man in Kairo einfach den Kopf unter die Decke stecken und nicht mehr raus kommen. Natürlich gibt es diese Momente immer und überall auf der Welt, Weltschmerz kennt keine Grenzen. Es gibt halt so Tage, da scheint nichts so zu laufen, wie man es sich erhofft hat. Dann steckt der Wurm drin und man muss es irgendwie akzeptieren und hoffen, dass es schnell vorbei geht.

Bei mir häufen sich diese Tage in Kairo sobald es Sommer wird und die Temperaturen in für mich unerträgliche Höhen schießen. Dann überkommt mich das Heimweh öfter als sonst, die Sehnsucht nach Grün, kälteren Tagen und Regen. Ja, ich vermisse Regen. Das versteht natürlich in Deutschland immer keiner, aber wer mal einen trockenen Sommer in Kairo erlebt hat weiß, wovon ich spreche. Ich liebe meine Gummistiefel, und ich will sie nicht nur anschauen, sondern auch tragen. Ich freue mich wie ein Kleinkind wenn es nass genug ist, um sie anzuziehen und durch Pfützen zu marschieren. Passiert in Kairo eher selten, gebe ich zu. Aber diesen Winter hatte ich Glück. Es hat ein paar Mal richtig heftig geregnet und ich war eine von den ganz wenigen in diesem Land, die mit trockenen Füßen durch die riesen Pfützen der Stadt lief.

Aber zurück zum Heimweh. Wenn das Thema auf Gummistiefel kommt tendiere ich dazu abzuschweifen.

Es ist jetzt also Juni und es ist heiß in Kairo. Zu heiß. Da schlägt das Heimweh mit voller Kraft zu. Man muss sich also Strategien ausdenken, um das Heimweh auszutricksen. Eine gute Möglichkeit ist, sich bei über 40 Grad im Schatten in einen vollklimatisierten Supermarkt zu begeben. Gourmet in Zamalek eignet sich dazu zum Beispiel hervorragend. Der Laden ist zwar sehr klein, dafür bietet er aber alles, was das Ausländer-Herz begehrt. Gourmet gibt es seit einigen Jahren in Ägypten und seither ist der Laden für viele von uns unersetzlich geworden. Die Steaks kommen aus Australien, der Käse aus der Schweiz, der Lachs aus Norwegen und die sauren Gurken aus Deutschland. Hierher gehe ich, wenn ich das Gefühl haben möchte, nicht in Ägypten zu sein, weil ich hier fast alles finden kann, was es auch in Deutschland zu kaufen gäbe. Fast, aber immerhin. Neulich konnte ich mein Glück kaum fassen. Da lag in der Gemüsetheke tatsächlich frischer Grünkohl. Damit hatte ich nicht gerechnet. Grünkohl in Ägypten, das hatte ich noch nie gesehen. Ich glaube, es gibt für Grünkohl noch nicht mal einen Namen auf Arabisch. Manchmal haben sie auch weißen Spargel, auch so eine Seltenheit hier. Der Spargel war eigentlich für den Export nach Deutschland bestimmt und schon mit deutschem Warenhinweis bestückt, landete dann aber irgendwie bei Gourmet und nicht in einem deutschen Supermarkt. Glück für mich! Es gibt keine Ankündigung, man muss einfach am richtigen Tag seine Nase durch die Tür stecken. Es gibt auch so exotische Dinge wie Quinoa bei Gourmet zu kaufen und seit Neuestem haben sie auch Angebote für Veganer oder Menschen, die eine Laktose-Intoleranz haben. Beides Phänomene im Übrigen, denen man in Ägypten kaum begegnet. Menschen die kein Fleisch essen sind den Ägyptern schon mal per se suspekt, aber obendrein auch keinen Käse, keine Eier oder Milch!? Undenkbar. Dabei soll es mittlerweile ein veganes Restaurant in Kairo geben. Muss ich ausprobieren. Es gibt also bei Gourmet jetzt auch Mandel- und Sojamilch. Ich war so begeistert, ich habe gleich eine Packung Mandelmilch mit nach Hause genommen. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte zuvor noch nie Mandelmilch getrunken. Schmeckt gut, und ich vertrage sie tatsächlich besser als normale Milch. Ich hoffe also, dass Gourmet sie im Angebot behält. Denn: So schnell etwas kommt, so schnell kann es hier auch wieder gehen.

http://www.gourmetegypt.com/store/

‚Toys‘ – Eine etwas andere Reise durch Kairo

Es gibt viele gute Gründe, Hany Rashed zu mögen. Er ist nicht nur ein sehr sympathischer Mensch, offen, herzlich und ohne Berührungsängste, er ist auch ein spannender Künstler, der sich in Ägypten und über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht hat. Hany Rashed wurde 1975 in Cairo geboren, wo er bis heute lebt. Er begann seine künstlerische Karriere als Lehrling im Atelier von Mohammed Abla, einem renommierten ägyptischen Künstler, der auch eine besonders enge Bindung zu Deutschland und der Schweiz hat. Nach fast zehn Jahren an Abla’s Seite ging Hany Rashed 2003 seine eigenen Wege und hat seitdem an internationalen Gruppenausstellungen in London, Griechenland, Italien, Dubai, Senegal, Spanien und Schweden teilgenommen. In der Mashrabia Kunstgalerie in Downtown Kairo fand Anfang Mai Hany Rashed’s neunte Einzelausstellung statt, und sie war außergewöhnlich – wie seine Arbeiten so oft sind. Ich war sofort fasziniert von ‚Toys‘. Es gab dieses Mal keine Zeichnungen und Bilder von Hany Rashed. Stattdessen nahm er den Besucher mit auf eine Reise durch das Kairo von heute. Fast wie in einem Comicfilm wurden die Charaktere und Situationen zum Leben erweckt. Hany Rashed hat eine Welt erschaffen, in der alles um ihn herum – von Bussen und Autos über Menschen und Häuser – in Plastikobjekte verwandelt wird. Die Objekte erinnern stark an Kinderspielzeuge oder auch an Comiczeichnungen. Rashed hat die Plastikformen mit einer speziellen Technik ausgedehnt und wieder zusammengezogen. Dadurch entsteht ein Welleneffekt, der den Objekten eine Dynamik verleiht, die faszinierend ist. Busse und Motorräder scheinen zu fahren, man spürt förmlich den Wind, der den Motorradfahrern ins Gesicht bläst. Die Menschen sind teilweise als Menschenmenge angeordnet oder hängen wie Kinderspielzeuge in Plastiktüten von der Decke. Selten hat eine Ausstellung so viel Spaß gemacht.

Pon Appétit!

Die arabische Sprache ist großartig, vielfältig und reich an Vokabular. Trotzdem fehlt ihr ein – zumindest in anderen Sprachen gängiger – Buchstabe. Das P kennt das Arabisch nicht. So wird aus Pizza „Bizza“, aus Post „Bosta“ und aus Mr. Bob in schöner Regelmäßigkeit Mr. Pop. Daraus könnte man glatt eine Marke machen. Es stört die Ägypter auch kein bisschen, wenn an einem Schriftzug, der ein Geschäft oder gar eine Restaurant-Kette bewirbt, ein Bauch des geschwungenen B’s wegbricht. So steht seit Monaten auf einer Hausfassade in meinem Viertel in großen, geschwungenen Lettern „Pon Appetit“. Überhaupt, mit der Rechtschreibung halten sie es recht locker, die Ägypter. Gern geteilte Fotos unter Ausländern sind die, die man mal wieder von einer besonders kreativ gestalteten Menükarte in einem Restaurant gemacht hat. Teilweise sind die englischen Menükarten nämlich nur mit ganz viel Phantasie und gutem Willen zu entziffern. Aus Toast wird so zum Beispiel „Tosat“, was ich gerne – falsch im Arabischen in die Mehrzahl abgeleitet – mit „vielen Hintern“ übersetze. So wird aus einer falschen englischen Schreibweise und einer sehr eigenwilligen arabischen Mehrzahl-Bildung meinerseits ein lustiges, neues Wort. Auch schön war die Tasse, die eine Freundin kaufte, bevor sie von Kairo nach Paris zog. Auf der Tasse ist der Eiffelturm abgebildet, darüber steht in einem schönen Bogen „Eiffel Tower“ und darunter: „Dream in pairs“. Wenn ich schlechte Laune habe, guck ich mir das Bild an und bin gleich wieder lustig. Zu zweit zu träumen ist ja auch viel schöner, als einfach nur in Paris zu träumen. Womöglich noch alleine. Grauenvoll. Toll war auch die Rechnung, die ich für einen Strauß Tulpen handschriftlich ausgestellt bekam. „Toleeps“ stand da, statt „Tulip“. Auch die Straßenbeschilderung in Ägypten kann für viel Heiterkeit sorgen. Ist auch nötig, wenn man so oft und lange im Stau steht. Straßenbeschilderung in Ägypten ist fast immer zweisprachig, Arabisch und Englisch. Aber auch bei solch hoch-offiziellen Dingen kann mal etwas schief gehen. So wurde auf einem Schild, das eine Kehrtwende anzeigte, aus dem englischen „U-Turn“ ein „U.Tearn“. Auch im gesprochenen Englisch sind die Ägypter oft nicht zu überbieten an Witz und Kreativität. So erzählt ein Freund immer wieder gerne die Geschichte eines Vorstellungsgesprächs mit einer jungen Dame. Irgendwie kam im Gespräch das englische Wort für kultiviert, „sophisticated“ auf. Darauf sagte die junge Dame. „No, not so, only phisticated!.“ Überbieten kann das eigentlich nur noch das Pressezentrum, in dem wir ausländischen Korrespondenten unsere Akkreditierung bekommen. An der Tür steht „Press Enter“. Das C ist irgendwo verloren gegangen.

 

 

Farbexplosion auf der Autobahn

Schon oft habe ich über die Kuriositäten geschrieben, die einem auf einer Fahrt durch Kairo begegnen können. Das Schöne daran ist, dass einem in Ägypten nie die Geschichten darüber ausgehen, es gibt einfach so viel Unerklärliches in diesem Land. Da sind zum Beispiel die lustigen Plastik-Pinguine, die wie überdimensionierte Bowling-Pins aussehen und sich am Straßenrand im Wind wiegen und darauf warten, gekauft zu werden. Wofür der Ägypter diese lustigen Dinger gebrauchen kann, habe ich noch nicht herausgefunden, aber sie haben zumindest den schönen Nebeneffekt, dass ich regelmäßig in schallendes Gelächter ausbreche, wenn ich sie mal wieder am Straßenrand entdecke. Vor allem wenn es über 30 Grad im Schatten sind. Schön sind auch die kleinen Stoff-Äffchen, die ich in letzter Zeit vermehrt an Autos, Minibussen und sogar Motorollern entdecke. Es scheint ein Trend zu sein. Die kleinen Klammer-Äffchen, meist in hell-braun und mit putzigem Gesicht, sitzen nicht – wie man vermuten könnte – hinter der Heckscheibe, sondern halten sich wagemutig von außen am Wagen fest, an Dachgepäckträgern oder am Nummernschild. Gerade Überlandfahrten sind sehr interessant in Ägypten. Nicht wegen der schönen Landschaft, sondern wegen der Transporter und Lastwagen, die an einem vorbeidonnern. Gerne schaue ich nach den Nummernschildern, weil die Automobile oft aus Deutschland ihren Weg nach Ägypten gefunden haben. Neulich fuhr – und ich lüge nicht – ein Kasseler Kennzeichen an mir vorbei! Leider war der Kamikaze-Fahrer zu schnell für mich und meine Kamera, aber es hat mich doch sehr beglückt, ein Nummernschild aus der Heimat auf einer ägyptischen Autobahn zu entdecken. Auch lustig – und etwas befremdlich – war der kleine, alte, knallgrüne Fiat, der vor ein paar Wochen an uns vorbeiratterte. Zuerst dachte ich, ich hätte was mit den Augen, ich konnte mir die seltsame Farbexplosion auf dem kleinen Gefährt einfach nicht erklären. Um ehrlich zu sein, kann ich es bis heute nicht. Auf dem Dach und bis weit über die Heckscheibe hinab hatte der Fiat etwas geladen, das wie überdimensionierte Fingerhüte in Knallfarben aussah. Wofür solche Sachen benutzt werden, kann ich mir nicht erklären. Doch mein absoluter Favorit ist und bleibt der junge Mann in der Nachbarschaft, der seinen alten Fiat aufwendig hergerichtet hat, mit einer Art brennendem Vogel auf der Kühlerhaube und den Worten „BIG BOSS“ über dem linken Hinterreifen geschrieben. Neulich sah ich ihn, wie er das Big Boss entfernte. Ich war offenbar nicht die Einzige, die sich köstlich amüsiert hat.

Was soll das bitte sein?!
Was soll das bitte sein?!